Kaum eine Woche, nachdem die Fans von FPÖ-Chef Strache auf dessen Facebookseite den Selbstmordversuch eines Flüchtlings in Wien mit hunderten Mordfantasien kommentiert hatten, nahm sich in der deutschen Stadt Schmölln ein 17-jähriger Somalier das Leben. Der Jugendliche, der wegen seelischer Probleme in psychiatrischer Behandlung war, wollte sich aus dem Fenster stürzen. Unten standen Zuschauer, die gerufen haben sollen: „Spring doch!“ Er sprang und starb. Was zum Teufel ist los mit uns? Wie kann man so kalt und innerlich tot sein, einem verzweifelten Menschen zuzurufen, er solle sich umbringen? Das widerspricht doch jeder normalen menschlichen Regung, jedem Mitgefühl und allen Werten, die man als halbwegs zivilisierter Mensch haben sollte. Sind diese Monster in Menschenverkleidung dieselben, die dann vor Weihnachten wieder andächtig der Geschichte von der Herbergsuche lauschen und eine Krippe aufbauen?
Wenn wir alle, die wir noch einen Funken Menschlichkeit in uns tragen, jetzt nicht aufwachen und „stopp“ sagen, werden wir unser Land und ganz Europa bald nicht wiedererkennen. Es ist an der Zeit aufzustehen und zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter! Wir machen nicht mehr mit, wir wollen Menschen bleiben“. Wir müssen laut sein und uns der Feigheit und der Niedertracht entgegenstellen. Wenn Politiker und verrohte Mitbürger Menschen quälen und sogar sterben lassen wollen, sollen sie damit rechnen, auf Widerstand zu stoßen. Wir, die „Gutmenschen“, also all jene, die ihr Glück nicht vom Leid anderer abhängig machen, sind immer noch in der Mehrheit. Das muss man zumindest hoffen, denn wenn wir es nicht sein sollten, dann gnade uns Gott. Obwohl: Seit Norbert Hofer auf seinen Wahlplakaten Gott für sich reklamiert, können wir uns auf eine göttliche Intervention wohl auch nicht mehr verlassen.
„So wahr mir Gott helfe“ - wer hätte je gedacht, diese deutschsprachige Version von „Inschallah“ auf einem FPÖ-Plakat zu lesen? Die Freiheitlichen waren einmal eine säkulare Partei, die zu den Kirchen einen ziemlich großen Abstand hielt. Jetzt schwingt Strache das Kreuz und Hofer schwört mit Gott. Die Zielgruppe ist ein bisserl unklar, denn diejenigen, die das Christentum ernst nehmen, gehören zu den fleißigsten freiwilligen Helfern bei der Versorgung von Flüchtlingen. In der Bibel steht nämlich nicht „und sucht ein Fremder bei dir Obdach, so versetze ihm einen festen Tritt“, sondern „Gott liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung. Auch ihr sollt die Fremden lieben“ (Deuteronominon, Kapitel 10). Noch deutlicher wird Gott im Buch Leviticus: „Wenn ein Fremder in eurem Land lebt, dann sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst“. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was die FPÖ will. Aber überraschend ist dieser Widerspruch auch wieder nicht, denn so wie viele der eifrigsten Deutschnationalen der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig sind, kennen gerade die lautesten „Gott mit uns“-Schreier den Inhalt der Bibel nicht.
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