Die Landesorganisation der Gewerkschaft vida in Kärnten hat die Antworten der wahlwerbenden Parteien auf die 81 vom ÖGB an sie gestellten Fragen genauer unter die Lupe genommen und die für die Kärntner ArbeitnehmerInnen in den Verkehrs- und Dienstleistungsbranchen maßgeblichsten Punkte herausgepickt.
Forderungen an zukünftige Bundesregierung
Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida Kärnten hat daraus Forderungen an eine zukünftige Bundesregierung für die Beschäftigten in drei der größten Branchen, die in den Zuständigkeitsbereich der vida fallen, abgeleitet, die auch von gesamtgesellschaftlicher Relevanz sind. In Kärnten gibt es rund 10.000 Beschäftigte im Verkehr, über 20.000 Beschäftigte im Tourismus und anderen Dienstleistungen sowie 17.000 im Gesundheits- und Pflegebereich (Zahlen 2018/2019 Quelle WKÖ) Für diese Kolleginnen und Kollegen fordert die Gewerkschaft vida eine arbeitnehmerfreundliche Politik ein, die sich durch Taten und nicht nur durch schöne Worte auszeichnet.
Berufe in vida-Branchen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung
Niemand kann von der Hand weisen, dass die Tätigkeiten und Leistungen der Berufstätigen in diesen drei großen Branchen von hoher gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind. Sie tragen wesentlich zu einem guten Leben für alle Menschen bei. Sei es, indem sie klimafreundliche Mobilität für PendlerInnen leisten, die Freizeit und den Urlaub anderer Menschen so angenehm wie möglich gestalten oder Kranke gesund pflegen und ihnen damit neuen Lebensmut geben. Es ist deshalb unerlässlich, dass die Beschäftigten in diesen Branchen hochwertige Ausbildungsmöglichkeiten, beste Arbeitsbedingungen und faire Einkommen sowie ausreichend Freizeit haben, damit sie ihre Tätigkeiten und Dienstleistungen für andere Menschen hoch motiviert und in bester Qualität erbringen können.
vida-Faktencheck Öffentlicher Verkehr und Klimaschutz
Auf ÖGB-Fragen wie „Sind Sie für zusätzliche Investitionen in den Schienengüterverkehr, um mehr Transporte auf die Schiene zu verlagern?“, „Öffentlicher Verkehr muss auch im ländlichen Raum alltagstauglich vorhanden sein, österreichweit ausgebaut werden und für alle leistbar sein?“ oder ob PendlerInnen, die den öffentlichen Verkehr nutzen, stärker entlastet werden sollen, konnte in Wahlkampfzeiten, in denen zudem der Klimaschutz hochgehalten wird, wohl keine Partei wirklich anders als mit „Ja, ich bin dafür“ antworten.
Es gibt kaum andere Transportmittel wie die Eisenbahnen, die derartig große Personenanzahlen und Tonnen an Gütern über weite Strecken transportieren können und dabei derart geringe Emissionen verursachen. Will man das Klima schützen, müssen noch mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und zusätzlich Gütertransporte auf die Schienen verlagert werden. Vida Landesvorsitzender Hermann Lipitsch: „Mit dem Ausbau der Südstrecke und der Fertigstellung der Koralmbahn haben wir in Kärnten außerdem die große Chance, ein neues Kapitel in der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundeslandes aufzuschlagen. Das wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn es eine enge Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesregierung gibt. Für die Beschäftigten in Kärnten ist es von großer Bedeutung, dass es in Zukunft weniger Drüberfahren und wieder ein Mehr an Dialog unter Einbindung der Sozialpartner gibt.“
Wie wichtig diese Einbindung ist, haben wir auch bei der Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs durch die Europäische Kommission gesehen, die offensichtlich ein Irrweg war. Das steht fest. In Folge dieser Politik wurden wenig rentable Bahnstrecken in vielen Ländern und Regionen eingestellt und Investitionen zurückgeschraubt. Trotz des Beschlusses eines 11 Milliarden Euro Pakets für Investitionen in den Bahnpersonenverkehr bis 2034 vergangene Woche im österreichischen Nationalrat wird eine neue Bundesregierung aber nicht umhinkommen, sich dafür einzusetzen, dass dieser Kurs auf europäischer Ebene korrigiert wird.
Erfreulicherweise hat das österreichische Bahnsystem diese internationalen Liberalisierungstrends im Bahnwesen besser überstanden als das die Systeme anderer Länder taten. Während der letzten Wirtschaftskrise haben vor allem staatliche Investitionen in den Eisenbahnsektor die österreichische Wirtschaft und damit hunderttausende Arbeitsplätze in der Bau- und Zulieferindustrie über Wasser gehalten.
Will die Politik das Klima schützen und Menschen sowie Umwelt entlasten, sind dennoch zusätzliche Investitionen in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel notwendig, wodurch auch weitere qualifizierte Arbeitsplätze bei den Bahnen entstehen würden. „Hoffen wir auf eine zukünftige Regierung, welche das System Bahn als beste Alternative gegenüber anderen Verkehrsträgern im Sinne unserer Bahnen in Rot Weiß Rot und im Sinne der Menschen in diesem Land forciert“, so Hermann Lipitsch.
Die Zukunft des Berufsverkehrs:
Auch der Verkehr auf der Straße muss umweltfreundlicher werden. In Österreich gibt es seit August 2017 das grüne Kennzeichen für E-Lastwagen und abgasfreie Busse. Im selben Jahr hat auch MAN mit der Produktion von E-LKW in Steyr begonnen, ab 2021 sollen dort mehrere Tausend Elektro-Laster jährlich gebaut werden. „Laut Studien des Verkehrsministeriums hat Elektromobilität in Österreich das Potenzial für mehr als 30.000 neue Jobs, dazu die Chance, dass die Branche etwas gegen ihren Ruf als Dreckschleuder tun kann, hier könnten wir im wahrsten Sinne des Wortes etwas bewegen“ erklärt Markus Petritsch, stellvertretender Landesvorsitzender der vida Kärnten, der sich von der Bundespolitik auch für die kommenden Perioden gezielte Förderungen in diesem Bereich erhofft.
Es stehen aber noch eine Reihe weiterer drängender Probleme an, die im Interesse der Beschäftigten zu lösen wären. So hat die Gewerkschaft vida bereits 2017 gemeinsam mit der WKÖ auf das Problem der Kabotage aufmerksam gemacht. So wurde damals festgestellt, dass der öffentlichen Hand in Österreich durch grenzüberschreitende illegale Kabotage-Fahrten ausländischer LKW im Jahr 500 Millionen Euro durch die Finger rinnen. Diese Summe entspricht der Beschäftigung von 14.000 LKW-LenkerInnen im Jahr“, so Petritsch. „Leidtragende sind die direkt Betroffenen, aber auch österreichische Firmen und Beschäftigte, die sich an die Gesetze halten. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft in diesem Bereich noch mehr und schärfere Kontrollen gibt. Die Aufhebung der Strafkumulation beim Lohn- und Sozialdumping hat aber gerade hier die Situation sicher nicht verbessert. Mein Appell an die nächste Bundesregierung wäre, da wieder zur alten Rechtslage zurückzukehren.“ Einmal mehr verlangt der Gewerkschafter die Errichtung einer Bundesagentur für den Straßengüterverkehr. In dieser Agentur sollen alle Kontrollkompetenzen gebündelt werden. Das heißt, wenn ein LKW angehalten wird, kann die Behörde alles auf einmal prüfen: Ladungssicherung, Lenkzeiten, die korrekte Meldung bei der Sozialversicherung, die Frage der Gewerbeberechtigung usw. Das würde nicht nur zu einer merklichen Verbesserung der Kontrollen führen. Diese Agentur könnte sich selbst finanzieren und würde noch Mittel aus den strafen an den Staat abliefern.
Doch auch die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen müssen verbessert werden, hier die Verantwortung allein auf die Kollektivvertragspartner abzuwälzen ist zu wenig. „Der FahrerInnenmangel, mit dem fast alle Kärntner Unternehmen zu kämpfen haben, spricht eine deutliche Sprache“ so Petritsch, der der jüngsten Forderung der WKÖ an dieser Stelle eine scharfe Absage erteilt: „Anstatt zu junge Menschen als LKW-Fahrer einzusetzen, wäre es gescheiter den Lehrberuf des Berufskraftfahrers stärker anzubieten. Hier können junge Menschen mit 18 Jahren selbstständig als Fahrer eingesetzt werden.“ Von husch-pfusch-Kurzausbildungen wie von der WKÖ angedacht hält der Gewerkschafter nichts.
Chancengleichheit schaffen
Zusätzlich gehört auch Chancengleichheit geschaffen. Heute ist im innerösterreichischen Güterverkehr immer mehr der Traktor die Konkurrenz zum LKW. Wir registrieren immer mehr junge Menschen, die mit 16 den Traktorführererschein machen und dann mit 10-Tonnen-Traktoren und 28 Tonnen Fracht unterwegs sind. Gefahren wird alles, von Bauschutt bis zu Baumaschinen. Aber auch Artikel, die vom LKW-Fahrverbot am Wochenende betroffen sind und das mit bis zu 80 km/h. Die jungen LenkerInnen haben keine entsprechende Ausbildung und haben auch keine Weiterbildungen wie ein LKW-Lenker absolviert, keine Ladungssicherungskenntnisse, nur den Traktorschein. „Hier herrscht eine absolute Wettbewerbsverzerrung. Es darf nicht weiter so sein, dass die einen in eine jahrelange Ausbildung investieren müssen, während die anderen nur den Traktorschein mit 16 machen und schon dürfen sie alles. Fast skurril, dass sie bei den Traktorfahrten nicht einmal den Führerschein mithaben müssen.“ meint der Gewerkschafter, der neben verträglicheren Arbeits- und Ruhezeiten für eine zielgruppenorientierte Gesundheits- und Sozialpolitik für BerufskraftfahrerInnen plädiert, etwa eigenen Vorsorgeuntersuchungen. Und wenn es der WKÖ ernst ist, den Berufstand attraktiver zu gestalten, dann sollten sie sich endlich auch bei der Entlohnung bewegen. Ein Einstiegsgehalt von nicht einmal 1600.- Euro ist keine Motivation für junge Menschen, gemessen am Stress und der Verantwortung, die sie tragen.
Und schließlich spricht sich Petritsch für die Umsetzung des Bestbieterprinzips in allen Bereichen aus: „In allen Dienstleistungsbranchen geht das Billigstbieterprinzip zu Lasten der Beschäftigten, da sie zwangsläufig den größten Kostenfaktor ausmachen. Kärnten hat mit der Bauwirtschaft gezeigt, dass es Alternativen gibt und wir hoffen, dass dieses Beispiel auch im Bund und in anderen Branchen endlich Schule macht“ so Petritsch abschließend.
Die vida-Forderungen:
vida-Faktencheck Tourismus und private Dienstleistungen
„Sind Sie für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Branchen mit mangelnder Attraktivität, wie z.B. im Tourismus- und Gastrogewerbe, durch die Schaffung einer Tourismusurlaubs- und Abfertigungskasse (nach Vorbild der Baubranche)?“, fragte der ÖGB die Parteien. Bis auf die ÖVP haben diese Frage alle Parteien klar mit ja beantwortet. Die ÖVP antwortete nicht direkt mit ja oder nein. Sie will die Verbesserung von Arbeitsbedingungen den sozialpartnerschaftlichen Kollektivvertragsverhandlungen überlassen und sieht seitens der Politik keine Notwendigkeit, in diese Zuständigkeiten einzugreifen.
Auch die Unzufriedenheit der Tourismus-Beschäftigten und anderen DienstleisterInnen steigt an, viele verlassen ihre Branchen oder haben das vor. „Der zuletzt vorgelegte Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich beweist erneut, dass die Arbeitgeber dringend gefordert sind, mehr zu tun, um ihre Beschäftigten länger an die Branche zu binden“, stellt dazu Hermann Lipitsch fest. Laut den in der vergangenen Woche präsentierten Zahlen der AK wollen fast vier von zehn KellnerInnen und ein Drittel der Beschäftigten im Tourismus sich nach einem anderen Job umsehen. „Und wenn man an Berichte wie den Vorfall vergangene Woche in Wolfsberg denkt, bei der einer Kosmetikerin jahrelang Überstundenzuschläge und Lohnbestandteile vorenthalten wurden, dann darf man sich da auch nicht wundern.“ so Lipitsch.
Die dramatischen Zahlen beweisen, dass Dienstleistungs-Branchen nur dann kein Problem mehr haben werden, ausreichend Personal zu finden, wenn Entlohnung und Work-Life-Balance für die Beschäftigten stimmt, für KosmetikerInnen, FußpflegerInnen und Masseure gibt es nicht einmal einen kollektivvertraglich geregelten Mindestlohn. Dazu gehören etwa Dienstplansicherheit, ein familienfreundliches Arbeitsleben und auch ausreichend Ruhephasen und Entspannung. Wenn ArbeitnehmerInnen Wertschätzung wahrnehmen, wird der Drang zum Job- oder Branchenwechsel mit Sicherheit geringer werden.
Nur faire Arbeitsbedingungen und hochwertige Ausbildung sowie die Einhaltung des ArbeitnehmerInnenschutzes sind der richtige Weg, um den Personalnöten auch in Kärnten entgegenzuwirken, wo es allein im August 729 offene Stellen im Tourismus gegeben hat. Nur zufriedene MitarbeiterInnen sind auch gute Gastgeber. Wer seine MitarbeiterInnen und Lehrlinge fair behandelt und entlohnt, der braucht sich vor Personalmangel sicher nicht fürchten. Diese Arbeitgeber können auf Menschen bauen, die mit Enthusiasmus ihrer Arbeit nachgehen. Gerade das Hotel- und Gastgewerbe ist eine Branche, in der die Beschäftigten besonders viel Leidenschaft an den Tag legen. Nur top-motivierte Fachkräfte werden auch in Zukunft Rekordwerte für Kärntens Tourismus erzielen.
Die Dienstleistungs-Branchen und in Kärnten insbesondere der Tourismus als wichtiger Wirtschaftsfaktor müssen daher für heimische Arbeitskräfte und den Nachwuchs wieder interessant und attraktiv gemacht werden. Keine Schnellschüsse, sondern nachhaltige Lösungen zur MitarbeiterInnenbindung und Nachwuchsförderung sind hier gefragt. „Als Sozialpartner stehen wir jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Es müssen diesen dann nur Taten folgen“, betont der Gewerkschafter Lipitsch. Eine zukünftige Regierung ist daher von der vida aufgefordert, für die Beschäftigten und auch für die Betriebe im Tourismus entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
vida-Forderungen
Hinweis: Sämtliche Infos zu den 81 Fragen des ÖGB und die Antworten der Parteien sind hier abrufbar: https://web.oegb.at/wahlwerber/
Mehr Infos zu den Themen Öffentlicher Verkehr, Pflege und Tourismus auf www.vida.at
Foto: vida Kärnten