Es ist immer wieder verblüffend, welche Fantasien manche Menschen beim Thema Flüchtlinge entwickeln. Manche glauben tatsächlich, Menschen würden ohne triftigen Grund ihre Heimat und ihre Verwandten verlassen und auf der Flucht über das Mittelmeer ihr Leben riskieren, nur weil sie sich von Europa ein neues Smartphone erträumen. Man spricht verächtlich von „Wirtschaftsflüchtlingen“. Vor welcher Wirtschaft fliehen aber diese Menschen wirklich? Im Kosovo hocken sie in ungeheizten Wohnungen oder Baracken und leben im Schnitt von 1,90 Euro pro Tag. Es gibt keine Krankenversorgung, kaum Ärzte, keine Sicherheit welcher Art auch immer. Wer vom Hunger krank wird, stirbt. Wer Krebs kriegt, stirbt. Wer eine Blinddarmentzündung hat, stirbt. In weiten Teilen Afrikas ist es noch schlimmer. Dort gibt es nichts mehr, worauf ein Mensch hoffen könnte, gar nichts. Staaten zerfallen und lassen nacktes Chaos zurück, in dem Terroristenbanden morden und nichts, wirklich gar nichts mehr funktioniert. Wer vor solch einer Wirtschaft flüchtet, macht das nicht aus einer Laune heraus, sondern weil es ums nackte Überleben geht, das dort, von wo man flieht, nicht mehr möglich ist.
In Syrien, woher ein Großteil der derzeitigen Flüchtlinge kommen, wütet ein Krieg, der schon über 200.000 Menschenleben gefordert hat. Die vom „Islamischen Staat“ und auch den Regierungstruppen verübten Gräueltaten sind dermaßen schrecklich, dass man sie nur noch mit dem Völkermord in Ruanda und dem Holocaust der Nazis vergleichen kann. Trotzdem nehmen wir nur wenige syrische Flüchtlinge auf, trotzdem sind sich einige Politiker nicht zu blöd, gegen diese Menschen, die wortwörtlich aus der Hölle fliehen, Stimmung zu machen. Immer wieder schlägt Flüchtlingen offener Hass entgegen. Da sollte man fragen, was mit Leuten nicht stimmt, die Menschen hassen, nur weil die nicht verhungern oder ermordet werden wollten.
Wir sollten uns große Sorgen machen, denn wir stehen erst am Anfang. Wenn viele Leute jetzt schon mit Hass und Unmenschlichkeit auf Flüchtlinge reagieren, was wird dann erst los sein, wenn immer größere Gebiete der Erde wegen des Klimawandels unbewohnbar werden? Brasilien steht bereits vor eine Katastrophe, weil das Trinkwasser auszugehen droht, eine Folge der steigenden Temperaturen und des Abholzens der Regenwälder. In China sind die Wüsten auf dem Vormarsch und große Teile des Grundwassers komplett verseucht. In den kommenden Jahrzehnten werden wir, die wir das Glück haben in einer gemäßigten Klimazone und unter halbwegs stabilen politischen Verhältnissen zu leben, vor der Wahl stehen, unsere Ressourcen mit der Welt zu teilen oder uns hinter riesigen Mauern zu verschanzen und einen Dauerkrieg gegen die Elenden führen zu müssen, die sich nicht einfach ohne Gegenwehr zum Sterben hinlegen wollen. Vielleicht wird die Menschheit ja doch noch klüger und lernt, dass sie zusammenarbeiten muss statt gegeneinander, aber es sieht nicht allzu gut aus.
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