Wien im Jahr 2018, genau 80 Jahre nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland: Schwer bewaffnete Polizisten der Einheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität stürmen unter dem Befehl eines FPÖ-Politikers und im Auftrag des FPÖ-Innenministers Büros des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die Privatwohnungen von BVT-Beamten. Mit Gewehren im Anschlag nimmt man den überraschten Terrorismusbekämpfern Handys und Laptops weg. Laptops, auf denen hoch sensible Daten sind, unter anderem Ermittlungsergebnisse gegen die rechtsextreme Szene. Die Aktion findet statt, während der Leiter des BVT auf Urlaub ist. Das BVT steht personell der ÖVP nahe. Die FPÖ schickt also bewaffnete Einheiten unter dem Befehl eines FPÖ-Funktionärs los, um bei einem anderen Teil der Sicherheitskräfte, der unter ÖVP-Kontrolle steht, Razzien durchführen zu lassen. Viele Beobachter sprechen von einer „Generalprobe für einen Putsch“. Was da wirklich läuft, ist derzeit noch unklar, aber es sieht danach aus, als habe die FPÖ zeigen wollen, wozu sie im Stande ist, jetzt, da sie die Polizei und die militärischen Geheimdienste beherrscht. Es war womöglich eine Drohung an die ÖVP: „Kommt uns beim Umfärben der Sicherheitsapparate nicht in die Quere oder wir werden brutal“.
Ob Bundeskanzler Sebastian Kurz jetzt wohl grübelt, ob es wirklich zu verantworten war, der FPÖ das Innenministerium und das Verteidigungsministerium zu geben? Oder ist er zu unerfahren, um die Situation überhaupt zu begreifen? Oder, auch eine Möglichkeit, war er eingeweiht und gab grünes Licht, um gegen mögliche parteiinterne Kritiker vorzugehen? Jedenfalls sind nicht nur Bundespräsident Alexander Van der Bellen und SPÖ-Chef Christian Kern „besorgt“. Auch viele altgediente ÖVP-Politiker fragen hinter vorgehaltener Hand, ob Kurz noch Herr der Lage ist oder ob er die Republik an Kräfte ausgeliefert hat, die in einem normalen Land wegen ihrer Verstrickungen in die militante rechtsextreme Szene nicht mal eine Feuerwehreinheit kommandieren dürften, geschweige denn die Kontrolle über alle bewaffneten Kräfte des Landes bekommen würden.
Im März vor 80 Jahren wurde Österreich an Nazideutschland angegliedert. Binnen weniger Tage rollte eine Verhaftungswelle durch das Land. Viele angesehene Bürger und Politiker, die die Situation nicht ernst nahmen, landeten zunächst im Gefängnis und dann im KZ, wo etliche von ihnen ermordet wurden. Die Situation heute ist eine andere, aber wer aus der Geschichte nichts lernt, macht vielleicht wieder die gleichen Fehler, die viele Menschen damals machten. Die Lehre aus der Geschichte lautet, dass man die extreme Rechte nicht unterschätzen darf. Noch sind wir von Zuständen wie damals oder wie jenen, die es heute in der Türkei, Syrien oder Russland gibt, ein ganzes Stück entfernt, aber gerade unsere eigene Geschichte wie auch die Vorgänge in der Türkei zeigen, wie schnell sich alles ändern kann, wie rasch aus Rechtsstaaten Unrechtsregime werden können. Die Szenen, die wir gerade in Wien gesehen haben, machen Angst, denn sie erinnern allzu sehr an das, was man aus Staaten kennt, die sich in Diktaturen verwandeln.
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