Ich habe die Zukunft gesehen. Mitten in Klagenfurt. Vor einem Supermarkt in Waidmannsdorf kam sie mir in Gestalt einer Volksschulklasse entgegen. Etwa 20 kleine Kinder liefen an mir vorbei, Händchen haltend, lachend, Spaß habend. Ein paar Kinder waren ganz schwarz, andere braun, einige asiatisch-elfenbeinfarbig und andere ziemlich weiß. Kraushaarige gingen mit Blonden Hand in Hand und alle plapperten sie munter drauflos in einer Mischung aus Kärntnerisch und Hochdeutsch.
Ich habe die Vergangenheit gesehen. Bei einem Fußballspiel des ASKÖ Wölfnitz gegen Zell/Sele trug einer der Wölfnitzer das Neonazi-Symbol „88“ auf seinen Stutzen und bedrohte einen Zeller Kicker mit der „Vergasung“.
Kärnten hat seit den 70er Jahren den Ruf, ein besonders gestriges Bundesland zu sein. Das hängt mit den Ereignissen rund um den „Ortstafelsturm“ zusammen und auch damit, dass damals rechte Kräfte die Kärntner SPÖ übernommen hatten. Wer Kärnten aber nicht nur von außen kennt, sondern hier aufgewachsen ist, der weiß, dass dieses Image mit der Wirklichkeit nur teilweise übereinstimmt. Denn in Kärnten gab es nicht nur diese „tamischen“ Ortstafel-Absäger und auf der anderen Seite kommunistische Slowenenverbände, sondern auch viele Industriebetriebe, deren Arbeiter eher fortschrittlich eingestellt waren. Während sich in den sehr katholischen Bundesländern wie Niederösterreich noch Frauen das Leben nahmen, weil sie unverheiratet schwanger wurden, waren unverheiratete Mütter in Kärnten längst etwas völlig normales. Während in Oberösterreich richtige Hardcore-Neonazis in den Wäldern Bürgerkrieg übten, ließ ein FPÖ-Bürgermeister in Klagenfurt „Stolpersteine“ zum Andenken an die NS-Opfer legen und echte Nazi-Nostalgie fand nur mehr in entlegenen Tälern statt. Kärnten war zwar nicht so süß und unbedenklich, wie mache es gerne darstellten, aber auch nie so rückständig, wie andere es beschrieben.
Derzeit haben wir wieder die Wahl, ob wir in einem modernen Kärnten oder in einem Kärnten von gestern oder gar vorgestern leben wollen. Oder vielleicht haben wir diese Wahl gar nicht, denn ob wir es wollen oder nicht: Wir sind bereits multikulturell. Schon jetzt leben Menschen aus allen Ecken der Welt bei uns und sind richtige Kärntner geworden. Und morgen werden es vielleicht ein paar mehr sein, und auch die werden richtige Kärntner werden. Schon lange vor den derzeitigen Flüchtlingsbewegungen war Kärnten ein Land, in dem mehrere Kulturen zusammenfanden und sich zu etwas Neuem vermischten. Ohne die slawische Volksmusik gäbe es keine Kärnterlieder, ohne italienische Einflüsse keine Kasnudeln, ohne bayrische Einflüsse keinen Kärntner Dialekt. Bei uns haben sich die Kulturen und Sprachen schon immer verbunden und daraus ist eine Bevölkerung geworden, die völlig zu Recht den Ruf hat, besonders leutselig und freundlich zu sein. Wer schon mal längere Zeit woanders gelebt hat weiß, dass die Kärntner wirklich extrem nett und aufgeschlossen sind. Kaum woanders findet man so schnell Anschluss wie bei uns. Darauf sollten wir stolz sein. Und deswegen sollten wir keine Angst vor neuen Nachbarn haben. Kärntner waren und sind nämlich auch Optimisten, die eher der Zukunft zugeneigt sind als der Vergangenheit.
Kontakt: redaktion@mein-klagenfurt.at