Immer mehr Menschen werden zu Wutbürgern, Hass und Zorn ersetzen Vernunft und Zuversicht. Menschen werden aber nicht zornig oder wütend, wenn es überhaupt keine realen Probleme gibt. Es gibt sie. Leider trifft der Hass meist die Falschen, denn nicht Flüchtlinge, Arme, Arbeitslose oder andere Minderheiten sind schuld an den Ärgernissen des Lebens, sondern ideenlose Politiker, sture Bürokraten und gierige Bosse.
In Innsbruck hat die Stadtregierung gerade beschlossen, Obdachlosen das Übernachten in der Öffentlichkeit zu verbieten. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von bis zu 2.000 Euro. Da kein Obdachloser so viel Geld hat, heißt das, dass man Hinkunft als Sandler ins Gefängnis kommt, weil man das Verbrechen begangen hat, arm zu sein. Diese Bösartigkeit von bestens bezahlten Politikern gegenüber Menschen, die nicht einmal ein Bett haben, passt gut in eine Zeit, in der ein Milliardär mit der Lüge, er sei „einer von uns“, Präsident der USA werden kann. Das passt auch zum politischen Hickhack um die Mindestsicherung. Politiker, die 15.000 Euro pro Monat verdienen, hussen fleißig gegen Menschen, die mit 820 Euro auskommen müssen, und viele, die selber nur einen Schicksalsschlag vom Bezug Mindestsicherung entfernt sind, klatschen dazu. Der Schmäh, Geringverdiener gegen jene aufzuhetzen, die noch weniger haben, zieht erstaunlich gut. Geht es dem Geringverdiener besser, wenn der Arbeitslose weniger Arbeitslosengeld oder Grundsicherung kriegt? Natürlich nicht. Im Gegenteil ist es so, dass gerade die Gehälter im Niedriglohnsektor umso stärker unter Druck geraten, je schlechter die Sozialleistungen sind. Aber solche Argumente ziehen nicht mehr, denn es geht nur mehr um Gefühle, und negative Gefühle wie der Neid auf Arme sind offenbar viel leichter zu bedienen wie positive. Die Wirtschaftsbosse und Politiker lachen sich halb tot wenn sie sehen, dass Arbeiter lieber weniger Geld für Arbeitslose fordern statt eine Gehaltserhöhung.
Wer sich gegen Verbesserungen für andere wehrt, obwohl er selbst dadurch keine Verschlechterung erlebt, ist kein netter Mensch. Nehmen wir als Beispiel die Homo-Ehe. Geht es irgendeinem Heterosexuellen schlechter, wenn Homosexuelle heiraten dürfen? Nein, der Heterosexuelle verliert nur das Privileg, als einziger heiraten zu dürfen, während der Homosexuelle die Benachteiligung verliert, nicht heiraten zu dürfen. Trotzdem sind Kampagnen gegen die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten sehr erfolgreich. Warum? Weil es um Emotionen geht, nicht um Fakten. Das erklärt auch das Phänomen des Wutbürgers, der nur mehr hasst und die ganze Welt brennen sehen will. Der denkt nicht mehr, der fühlt nur noch. Und er hat keine positiven Gefühle wie Liebe oder Hoffnung, sondern negative wie Hass, Neid und Zorn.
Aber woher kommt all die Wut? Woher rührt der Zorn? Vielleicht davon, dass die Reallohnentwicklung seit 20 Jahren stagniert? Dass immer weniger Menschen immer mehr arbeiten sollen, während die Zahl der Arbeitslosen unaufhörlich steigt? Dass die Bürokratie in Gestalt von Gewerbeordnung, Steuer- und Sozialversicherungsabgaben immer mehr Betriebe abwürgt? Dass sich Politiker großzügige Gehaltserhöhungen gönnen, während sie uns sagen, wir müssten mit weniger Einkommen und kleineren Pensionen auskommen? Dass die einen vier Mal im Jahr nach New York fliegen, während die anderen vielleicht einmal alle zwei Jahre an die Adria fahren können? Dass jedem klar ist, dass die neue industrielle Revolution Millionen Jobs wegfressen wird, aber kein Politiker den Mut hat, das auszusprechen? Dass Waffenhändler und Großmächte Kriege am Laufen halten und dann die Verantwortung für die dadurch produzierten Flüchtlinge an die Bevölkerung Europas abschieben? Das und vieles mehr sind ganz reale Gründe, sich zu ärgern und wütend zu werden. Aber wenn sich die Wut nicht gegen die verantwortlichen Politiker und Wirtschaftsführer richtet, sondern gegen deren Opfer, läuft etwas total falsch.
Kontakt: redaktion@mein-klagenfurt.at