Der nächste Präsident der USA ist also ein Mann, der ohne die Hilfe seiner Berater nicht einmal Frankreich auf der Weltkarte finden würde und der als Geschäftsmann dutzende Betriebe in die Pleite führte, was er nur dank eines gigantischen Erbes finanziell überlebte. Der nächste Präsident der USA ist ein Mann, der sich vor laufenden Kameras über eine behinderte Reporterin lustig machte, mit dem Begrapschen von Frauen prahlte, Lateinamerikaner pauschal als Vergewaltiger beschimpfte und vom Ku Klux Klan unterstützt wird. Sind die Amerikaner verrückt geworden, so einen zum Chef der stärksten Militärmacht des Planeten zu machen? Nein. Für den Erfolg von Trump und anderen Rechtspopulisten gibt es handfeste Gründe. Die Wählerschaft Trumps und vergleichbarer Politiker besteht aus folgenden Gruppen:
Die tatsächlichen Verlierer
Unter der Präsidentschaft von Hillarys Ehemann Bill Clinton wurde in den 90er Jahren der amerikanische Sozialstaat massiv zusammengekürzt. Amerikaner haben seither während ihres gesamten Arbeitslebens nur mehr Anspruch auf insgesamt (!) sechs Monate Arbeitslosengeld. Etliche Sozialleistungen wurden auf Essenmarken umgestellt. Die Realeinkommen der Arbeitnehmer stagnierten oder sanken seither, während die Vermögen der Millionäre und Milliardäre explodierten. Mehrere Freihandelsabkommen wie NAFTA haben zur Auslagerung von Millionen Industrie-Jobs nach Asien und Südamerika geführt. Die Lebenserwartung der ärmeren Schichten in den USA geht seit 20 Jahren zurück, die Kindersterblichkeit steigt. Trotz Obamas Gesundheitsreform sind nach wie vor viele Millionen US-Amerikaner nicht versichert oder unterversichert und kriegen zum Beispiel bei einer Krebserkrankung keine Chemotherapie. Menschen aus dieser Schicht haben entweder mit dem politischen System abgeschlossen und gehen nicht mehr wählen oder sie stimmen für den einzigen Kandidaten, der einen radikalen Wechsel verspricht. Wie dieser Wechsel genau aussehen soll, hat Trump nicht verraten, aber das interessiert Leute, die nicht wissen, ob sie sich morgen noch was zu essen kaufen können, nicht. Die wollen nur, das sich etwas ändert, egal was und egal wie. Sie wollen auch Rache für die erlittenen Demütigungen und wählen den, der ihnen diese Rache am „Establishment“ verspricht. Sie hoffen gar nicht mehr auf ein bessere Leben, sondern wollen, dass es anderen schlechter gehen soll. Daher waren viele von den Andeutungen Trumps, er werde Hillary Clinton einsperren lassen, begeistert.
Die gefühlten Verlierer und die Ängstlichen
Die Mittelschicht in den USA, aber auch in Europa sieht die Nöte der Unterschicht und hat furchtbare Angst vor dem Abstieg. Das sind Leute, denen es nicht wirklich schlecht geht, die aber mehr oder weniger berechtigte Furcht davor haben, es könne ihnen oder ihren Kindern schlechter gehen als heute. Die extremen technologischen Veränderungen, die schon in absehbarer Zeit viele heute noch gut bezahlte Jobs überflüssig machen könnten, tragen zu dieser Verunsicherung stark bei. Die etablierte politische Klasse hat weder den Mut noch die Intelligenz, um diesen Ängsten eine optimistische Vision von der Zukunft entgegenzustellen. Die klassische Erwerbsarbeit droht derweil auszusterben, immer mehr Menschen müssen als Scheinselbständige oder Kleinstunternehmer über die Runden kommen. Die Politik tut aber immer noch so, als lebten wir in den 60er Jahren, wo die Fixanstellung bei einem großen Betrieb die Regel war und sich das Sozialsystem bequem aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanzieren ließ. Die Rechtspopulisten haben auf die Sorgen und Ängste einfache Scheinantworten: Die Mexikaner sind schuld! Die Flüchtlinge sind schuld! Die EU ist schuld! Die Feministinnen sind schuld! Das ist zwar alles Blödsinn, aber wenn demokratische Politiker keine sinnvollen, verständlichen und vor allem Hoffnung machende Erklärungen und Pläne haben, dann nimmt man halt das, was im Angebot ist, und das Angebot bestimmen derzeit die rechtspopulistischen Schreihälse.
Diejenigen, die die Politische Korrektheit satt haben
Vor allem in den USA, aber zusehends auch bei uns hängt die einst gut gemeinte politische Korrektheit vielen zum Halse heraus. Politische Korrektheit (PC) meint vor allem, dass man Minderheiten nicht mit abschätzigen Begriffen bezeichnet. Das wäre okay, wenn sich die Sprachregelungen nicht andauernd ändern würden und das, was heute noch als korrekt durchgeht, morgen schon als ganz böses Pfui-Wort gilt. Was einst als Notwehr von Minderheiten begann, wurde längst zu einer Ersatzpolitik, die immer fanatischer betrieben wird und immer mehr Menschen vor den Kopf stößt. Was soll ein Arbeiter, der gar nichts gegen Schwarze, Frauen oder Schwule hat, davon halten, wenn ihm in einer Kneipe eine 19-jährige Studentin eine Standpauke hält, nur weil er einen „falschen“ Begriff verwendet hat? Natürlich weckt das Aggressionen. Es sind nicht nur Rassisten und andere Menschenfeinde, die sich an der PC stoßen, sondern auch immer mehr ganz normale Leute, die sich nicht länger Vorwürfe gefallen lassen wollen, nur weil sie bei den ausufernden sprachpolizeilichen Maßnahmen nicht mehr mitkommen. Die Politische Korrektheit kam übrigens nicht zufällig zeitgleich mit der Globalisierung auf. Politiker, die die Welt nicht mehr gestalten konnten oder wollten, konnten mit PC-Maßnahmen Aktivität vortäuschen. Aber PC war immer nur Symbolpolitik.
Menschen außerhalb der Wirklichkeit
Eine steigende Anzahl von Leuten informiert sich nicht mehr über Zeitungen oder das Fernsehen, sondern stoppelt sich im Internet die eigene Realität zusammen. Das klappt ganz gut, wenn diese Leute eine gewisse Medienkompetenz haben, also zwischen seriösen und unseriösen Quellen zu unterscheiden wissen. Leider steht Medienkompetenz nicht auf dem Stundenplan amerikanischer oder europäischer Schulen, weswegen immer mehr Menschen an Verschwörungstheorien und Falschmeldungen glauben, während sie die ernsthaften Medien, für die echte Journalisten recherchieren, als „Lügenpresse“ abtun. Wer sich immer nur aus den gleichen Quellen informiert (und wenn diese Quellen noch dazu Falschinformationen liefern), der landet in einer Gegenwirklichkeit, wo er für Argumente nur mehr schwer erreichbar ist. Politiker wie Donald Trump können dann zum Beispiel behaupten, es gebe gar keinen Klimawandel, obwohl sämtliche ernstzunehmende Wissenschaftler das Gegenteil sagen. Es zählen nicht mehr die Tatsachen, sondern das Gefühl. Man beachte, dass Rechtspopulisten das sogar offen aussprechen! Obwohl beispielsweise die Kriminalitätsrate sinkt, sagen sie einfach, das sei egal, denn die Menschen hätten das Gefühl, dass sie steige. Sobald aber Gefühle wichtiger sind als Fakten, haben Lügner, Übertreiber und Demagogen einen unfairen Vorteil, denn Gefühle sind stark, und negative Gefühle lassen sich leichter schüren als positive.
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