Wenn 500 aus ganz Mitteleuropa herbei gekarrte Leute „gegen die Islamisierung Villachs“ demonstrieren, ist das an Skurrilität kaum noch zu übertreffen. Hunderte Fremde kommen nach Villach, um Villach vor Fremden zu „verteidigen“. Das ist fast der ganze Wahnsinn unserer Tage in einer Nussschale. Radikale Minderheiten tun so, als würden sie die ganze Bevölkerung repräsentieren. Und das auf allen Seiten. Islamisten wollen, dass sich alle Muslime vor Christen und Juden fürchten und Islam-Hasser versuchen, eine generelle Angst vor Muslimen zu schüren. Dass es „die“ Moslems aber genauso wenig gibt wie „die Christen oder auch nur „die“ Villacher, sondern dass in jeder Menschengruppe die Zahl der Netten, der Bösen, der gescheiten und der Dummen ziemlich gleichmäßig vertreten ist, ist die Wirklichkeit, gegen die diese Fanatiker anrennen wie einst Don Quijote gegen die Windmühlen. Doch bei diesem Windmühlenkampf verbreiten diese Ritter von trauriger Gestalt Angst und Pessimismus, und deswegen sind die nicht harmlos, sondern gefährlich. Angst und Pessimismus scheinen überhaupt die bestimmenden Gefühle unserer Zeit zu werden. Das war einmal ganz anders.
Die Helden unserer Jugend sterben wie die Fliegen. David Bowie, Lemmy von Motörhead, Colin Vearncombe alias „Black“ und jetzt Paul Kantner von Jefferson Airplane („Somebody To Love“) - die Liste wird täglich länger. Immer mehr Stars, die wir in den 60er, 70er und 80er Jahren geliebt haben, fahren in die Grube. Das ist traurig und macht uns auch ein bisschen Angst, weil wir daran sehen, dass auch wir langsam alt werden und niemand dem Tod entkommen kann. Die Generation, die jetzt nach und nach ins Sterbealter kommt, ist eine ganz besondere. Diese Leute, die im Zweiten Weltkrieg oder kurz danach geboren wurden, waren die ersten, die eine wirkliche Weltkultur erschaffen haben. Elvis und die Beatles hat man in Los Angeles ebenso gehört und geliebt wie in Moskau oder Kairo. Filme wie „Star Wars“ liefen in Kinos auf der ganzen Welt und jedes Kind, ob in Klagenfurt oder in Phnom Phen, kennt Luke Skywalker und Darth Vader. Wer einen Fernseher hatte, erlebte die Abenteuer von Captain Kirk und seiner „Enterprise“.
Was hatte diese Kultur, diese Popkultur, das sie so erfolgreich machte? Warum verkaufen sich CDs und Downloads von Bands aus jener Zeit besser als aktuelle Musik? Warum dreht Hollywood verzweifelt ein Remake nach dem anderen? Einer der Gründe dafür dürfte der Optimismus sein, den wir heute so sehr vermissen, dass wir ihn in 50 Jahre alten Schallplatten und Filmen suchen. In den 60ern und 70ern ging es fast überall aufwärts. Die Wirtschaft brummte, Arbeitslosigkeit war fast unbekannt, wir flogen zum Mond und es schien nur eine Frage der Zeit, bis wir Krieg, Hunger und Krankheit besiegt haben würden. Die Hippies verbreiteten eine Botschaft, die jeder verstehen konnte, nämlich dass mit Liebe und gutem Willen alles zu schaffen sei, und das Kino zeigt uns, dass das böse Imperium am Schluss von den guten Rebellen besiegt werden würde. Das war alles ein bisschen naiv und unschuldig, aber genau deswegen so populär.
Der optimistische Elan der ersten Nachkriegsgeneration beschränkte sich nicht auf die Kultur, sondern beflügelte die vielleicht umfangreichsten Reformen der Menschheitsgeschichte. In einem historisch betrachtet rasanten Tempo setzte man Ideen in die Realität, die zuvor als „radikal“ oder „utopisch“ gegolten hatten: Die Gleichberechtigung der Frauen; der moderne Sozialstaat, in dem niemand mehr betteln müssen sollte; Toleranz gegenüber Menschen, die sich anders anziehen und andere Frisuren haben als die Mehrheit; die Akzeptanz von Homosexualität; ein neuer, nicht ausgrenzender Umgang mit Behinderten und psychisch Kranken; demokratische Mitbestimmung in Betrieben und Universitäten; ein vereintes Europa statt Staaten, die alle paar Jahre Krieg gegeneinander führen – das und noch so vieles mehr verdanken wir dieser Generation. Vieles ist immer noch nicht ganz umgesetzt, manches ist wieder in Gefahr, aber die Grundidee wirkt bis heute und ist sogar aktueller denn je. Diese Grundidee lautete in etwa so: Wir wollen eine Welt, in der es weniger Unrecht und weniger Krieg gibt und in der alle ein bisschen freier und angenehmer leben können. Und das ist auch heute noch eine reizende Vorstellung, gerade in einer Zeit, in der islamistische Fanatiker auf der einen und rechtsradikale Strömungen auf der anderen Seite versuchen, das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen. Die Generation der 60er und 70er Jahre hat uns allen ein Ausmaß an Freiheit und Wohlstand erkämpft, das in der Geschichte der Menschheit bislang einzigartig ist. Dafür stehen die „Helden“, die Stars dieser Jahre, die nun langsam wegsterben, und deswegen macht uns deren Tod so traurig. Wir ahnen, dass mit ihnen auch ein goldenes Zeitalter zu Ende gehen könnte. Deswegen sollten wir dieser Generation nicht nur dankbar sein für ihre Leistungen, sondern ihre Ideale gegen diejenigen verteidigen, die uns wieder zurück in die Dunkelheit führen wollen.
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