Es begann ohne Warnung und plötzlich waren sie überall. Als ich heute durch Klagenfurt fuhr, sah ich sie: Menschen, oder ehemalige Menschen, die langsam durch die Straßen schlurften, den Blick fest auf das Smartphone fixiert. Manche allein, andere in Gruppen. Zunächst hielt ich das noch für ein halbwegs normales Verhalten im Zeitalter der mobilen Kommunikation, aber dann erblickte ich mitten unter diesen Leuten einen Nachbarn, der seine Wohnung seit Jahren nicht verlassen hatte, und sogar er setzte seine bleiche Haut der Sonne aus und wankte wie ferngesteuert umher. Gescheit, wie ich bin, kam ich auf die einzig logische Erklärung: Zombies! Mit quietschenden Reifen raste ich durch die Gassen von Waidmannsdorf, stellte das Auto vor der Hauseinfahrt quer und hastete hinein, nicht ohne die Tür hinter mir zu verriegeln. „Frau“, rief ich, „wir müssen fliehen!“
Als meine Gattin mich fragend ansah, legte ich los: „Zombies! The Walking Dead! Es geht los! Hol Opas Schrotflinte vom Dachboden und pack nach Wichtigkeit gereiht folgendes ein: Handys plus Ladestation, Dosenessen, meine Bücher, den Hund, Ausweise und Geburtsurkunden, die Gitarre, DEINE Katze und die zwei pubertierenden Wesen, die immer grantig in ihren Zimmern hocken und manchmal behaupten, unsere Kinder zu sein.“
„Geliebter Schwachkopf“, antwortete meine Frau, „das ist keine Zombie-Apokalypse, das ist Pokemon Go“.
„Pokewas bitte?“
„Pokemon Go. Ein Spiel fürs Smartphone. Das beliebteste Spiel seit Höhlenmenschen mit Mammut-Knochen das Kegeln erfanden.“
Die liebe Ehefrau erklärte mir alles und leicht blamiert blies ich unsere Fluchtpläne wieder ab, wobei ich noch immer nicht völlig davon überzeugt war, ob ich die Schrotflinte nicht doch noch brauchen würde. Ein sehr strenger Blick überzeugt mich vom Gegenteil. „Wir brauchen keine Waffen, aber offene Augen, damit wir nicht aus Versehen jemanden niederfahren, der gerade ein Pokemon jagt“, erklärte sie mir. Ich sah das ein und als ich länger über die Sache nachdachte, fand ich es sogar ganz schön, dass es da ein Spiel gab, das offenbar auch Hardcore-Stubenhocker dazu bringen konnte, endlich wieder das Haus zu verlassen.
„Was sagen eigentlich die Früchte unserer Lenden zu diesem neuen Hype?“, wollte ich wissen. Die Gattin. „Ich wünschte, ich könnte dir das sagen, doch ich habe die beiden seit vorgestern nicht mehr gesehen. Sie hinterließen uns aber eine kurze Nachricht am Kühlschrank“. Ich ging in die Küche und las den Zettel, den die beiden Genies verfasst hatten: „Mama, Papa, macht euch keine Sorgen. Sind mit Team Kasnudel auf der Jagd. Brauchen mehr Himmihbeeren und Supertanks. Kommen vermutlich im Herbst wieder. Oder beim nächsten Serverausfall“.
„Wirr spricht die Jugend“, sagte ich zur Frau. Die nickte und meinte: „Immer noch besser als Zombies, oder?“
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