Oberösterreich hat gewählt und wieder sind viele ganz erstaunt, dass so viele Leute aus Protest für die FPÖ und gegen ÖVP und SPÖ gestimmt haben. Und wieder versteht keiner, was die Menschen so wütend macht, dass sie ihre Stimme Parteien geben, die ziemlich extrem sind, mit der Hypo das größte Wirtschaftsdesaster der zweiten Republik angerichtet haben und fast nur ein Thema haben: Ausländer. Politikwissenschaftler und Journalistinnen werden in Diskussionsrunden und Kommentaren wieder zu ergründen versuchen, was die Menschen wohl dazu bewog, so zu wählen wie sie es taten. Dabei ist es nicht so schwer zu begreifen, was da passiert: Es ist die Rache all jener, die nicht mehr mitkönnen beim großen Schneller, Höher, Weiter. Es ist der Aufschrei derjenigen, die an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen sind und trotzdem immer nur zu hören kriegen, sie sollten sich gefälligst zusammenreißen, da es anderen schließlich noch viel schlechter gehe. Es ist die Wut jener, die meinen, zu kurz zu kommen oder die tatsächlich zu kurz kommen und denen keine Partei ein ernsthaftes Angebot macht. Außer der FPÖ, und deren Programm besteht nicht darin, dass es denen, denen es jetzt schlecht geht, besser gehen solle, sondern anderen schlechter.
Wut ist nicht rational, aber sie hat dennoch Gründe, die in der Wirklichkeit wurzeln. Zwar ist es eine Wahnvorstellung, dass der Staat die Flüchtlinge bevorzugen würde und diesen alles mögliche schenke, während die Einheimischen angeblich nichts kriegen, aber es ist real, dass jene Menschen, die zu den Verlieren in unsrer Gesellschaft gehören, leicht den (falschen) Eindruck bekommen können, man kümmere sich mehr um Flüchtlinge als um sie. Das ist wie mit Kindern in einer Familie. Das ältere Kind wird neidisch und manchmal wütend, wenn es meint, das jüngere Kind bekomme mehr Zuwendung und Liebe, und zwar auch dann, wenn das jüngere Kind diese Zuwendung tatsächlich nötiger hat, weil es zum Beispiel krank ist. „Mama, ich bin auch ganz krank“, sagen manche Kinder dann, um auch was von der Aufmerksamkeit abzukriegen. Die Variante für Erwachsene geht dann so: „Denkt denn keiner an UNSERE Obdachlosen/Armen/Pensionisten?“
Aber es ist nicht nur Neid auf vermeintlich mit mehr Aufmerksamkeit bedachte Flüchtlinge, die derzeit das politische Gefüge umzuwerfen droht, es sind auch ganz handfeste Sachen, die die Wut befeuern. Das Gefälle zwischen Arm und Reich wird immer größer. Einerseits gibt es immer mehr Millionäre und Milliardäre, andererseits immer mehr Menschen, die kaum noch über die Runden kommen. Wer arbeitslos wird, gerät inzwischen schnell in eine Mühle, in der er außer Demütigungen wenig zu erwarten hat. Und es werden immer mehr Menschen arbeitslos. Oft fühlen sie sich dann traktiert von der Bürokratie, und wenn man hunderte Bewerbungen geschrieben hat, die alle in den Papierkörben von Firmen landen, die eher Mitarbeiter entlassen als neue einstellen, verliert man irgendwann den Optimismus. Wer um Mindestsicherung ansuchen muss, hat sich vor dem Staat nackt auszuziehen und muss alle Sparguthaben und andere Vermögenswerte verbrauchen, bevor auch nur ein Euro an ihn fließt. Wer arm wird, wird also enteignet. Die Invalidenrente wurde für Menschen unter 50 einfach abgeschafft. Wer noch einen Job hat, muss immer länger für immer weniger Geld arbeiten und hat immer größere Angst, schon morgen wegrationalisiert zu werden. Und jeden Tag treten irgendwelche „Experten“ auf und verlangen, dass Löhne und Sozialleistungen noch weiter gesenkt werden müssten und dass wir noch später in Pension gehen sollen. Gleichzeitig leistet sich Österreich tausende Berufspolitiker und eine Verwaltung, die viel zu groß ist im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. Alle merken, dass man bei den kleinen Leuten spart und dass gleichzeitig die politische Klasse einfach weitermacht und sich an den Trögen vollfrisst.
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