Mitteleuropa erlebt eine der größten Flüchtlingswellen seit Jahrzehnten. Das liegt zum Teil an unserer eigenen Politik. Vielleicht nicht so sehr an der österreichischen, aber doch an der des Westens.
Seit einer guten Woche führt die Türkei Krieg in Nordsyrien und Nordirak, und zwar gegen die Kurden, also gegen die einzige Gruppe in der Region, die nicht für einen islamischen Gottesstaat kämpft, sondern für eine weltliche Republik, in der Frauen und Männer gleiche Rechte haben und soziale Gerechtigkeit angestrebt wird. Die Türkei ist NATO-Mitglied, man kann daher davon ausgehen, dass dieser Krieg von den USA und den europäischen NATO-Staaten abgesegnet wurde. Die autonomen Kurdengebiete, in denen es vergleichsweise friedlich und fortschrittlich zugeht, sollen vernichtet werden, was vor allem dem „Islamischen Staat“ nützen wird, dessen erbittertste und effektivste Gegner die Kurden sind. Die letzten Flecken in Syrien und Irak, die bislang noch bewohnbar waren, sollen also ebenfalls in Krieg und islamistischem Terrorismus versinken, womit noch mehr Menschen gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen und ihr Heil in der Flucht nach Europa zu versuchen. Das ist eine Politik, die die Grenze zur Geisteskrankheit überschritten hat. In Syrien alleine kamen seit Ausbruch des Mehrfronten-Bürgerkriegs bereits 250.000 Menschen ums Leben, Millionen sind auf der Flucht. Der Westen hat nichts getan, um diesen Wahnsinn zu beenden. Und jetzt schauen wir tatenlos zu, wie auf die letzte halbwegs vernünftige Partei in diesem Bürgerkrieg türkische Bomben fallen. Und dann regen wir uns fürchterlich auf, wenn die Opfer dieser verrückten Politik bei uns anklopfen und um Schutz flehen.
Viele syrische Flüchtlinge kommen auch nach Österreich, wo der Umgang mit ihnen in den vergangenen Wochen nur mit einem Wort bezeichnet werden kann: Schande. Eines der reichsten Länder des Planeten wollte es nicht schaffen, Schutz suchenden Menschen das menschenrechtliche Mindestmaß an Betreuung zukommen zu lassen: Ein Dach über dem Kopf, ein Bett für die Nacht und Essen. Die Bilder von den Menschen, Kinder auch darunter, die im Lager Traiskirchen bei Regen und bei Hitze auf der nackten Erde schlafen müssen, zeugen von einer Verrohung, die man nicht für möglich gehalten hätte. Es muss doch so sein: Was auch immer mit diesen Menschen später geschieht, solange sie als Hilfesuchende in Österreich sind, hat man sie anständig zu behandeln. Das haben viele Österreicher auch verstanden und zeigten sich extrem hilfsbereit und spendabel. Erst nach langen Wochen der Untätigkeit konnte sich die Regierung aufraffen, die Flüchtlingsunterbringung zur Bundessache zu machen, um all den Landeshauptleuten und Bürgermeistern, die meinen, mit der Abwehr von Flüchtlingen politisch punkten zu können, endlich in die dumme populistische Parade fahren zu können. Natürlich kann Österreich nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen, aber erstens will von der halben Milliarde Menschen, die weltweit auf der Flucht ist, nur ein winziger Bruchteil zu uns und zweitens werden von denen, die zu uns kommen, bei weitem nicht alle auch bleiben. Man flieht ja nicht aus Spaß oder Langeweile, sondern weil man muss, und wenn die Lage in der Heimat wieder besser wird, ziehen viele ganz freiwillig wieder zurück. Und die, die bleiben dürfen und wollen, kann Europa gut gebrauchen, denn der Kontinent vergreist und hat zu wenig Nachwuchs.
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