250.000 Menschen haben am Samstag in Berlin gegen die AfD und den Rechtsrutsch in Deutschland demonstriert. Eine Viertelmillion Menschen sind ein machtvolles Zeichen, aber es wird nicht genügen. Der Faschismus steht längst nicht mehr vor der Tür, sondern macht es sich in immer mehr Ländern bereits im Wohnzimmer gemütlich.
In der FPÖ-nahen Publikation „Zur Zeit“ wurde vor einigen Tagen eine Art faschistisches Manifest veröffentlicht, das unter dem Titel „Mehr Recht und Ordnung im Land!“ skizziert, welch Ideen der Unfreiheit in manch freiheitlichen Hirnen herumgeistern. Gefordert wird da unter anderem: Aberkennung des Wahlrechts für politische Gegner der FPÖ; die Polizei soll „angemessene Korrektionsmöglichkeiten“ im Wachzimmer bekommen (Folter?) und nach Belieben von der Schusswaffe Gebrauch machen dürfen; „renitente“ Schüler sollen in „geschlossene Sonderschulen“ eingesperrt werden; Entlassung oder Versetzung von fortschrittlichen Lehrern und Lehrerinnen; Verpflichtung für Richter, „volksnah“ zu urteilen; „Säuberung“ des ORF von „linksextremen Elementen“, um die „kulturelle Hegemonie“ zu erringen; Wiedereinführung der Arbeitshäuser; Kollektivstrafen; Beweislastumkehr vor Gericht zuungunsten von Angeklagten. Das und noch mehr fordert ein Blatt, das einer österreichischen Regierungspartei nahesteht, im Jahr 2018. Es ist eine offene Kampfansage an die Demokratie und an alles, was es an Fortschritt seit 1945 gab.
Bundeskanzler Sebastian Kurz müsste spätestens jetzt die Koalition mit diesen Leuten aufkündigen, aber man ahnt schon, was jetzt kommt. Ausreden der Art: „Das finde ich nicht schön, aber das ist doch nur eine Minderheitenmeinung in der FPÖ“. Und die FPÖ wird behaupten: „Mag ja sein, dass das Blatt von Freiheitlichen gemacht wird, dass Freiheitliche darin schreiben und die FPÖ darin inseriert, aber wir haben damit überhaupt nix zu tun, Ehrenwort“. Der Bundespräsident wird seine Stirn in besorgte Falten legen und schweigen und die SPÖ wird weiterhin mit der FPÖ im Burgenland koalieren und ansonsten intern über die politische Ausrichtung der Partei streiten. Es ist ein einziges Jammertal.
In Italien praktiziert derweil die Lega offenen Rassismus. In der Stadt Lodi bekommen Kinder mit „Migrationshintergrund“ kein Schulessen mehr und dürfen nicht mehr mit dem Schulbus fahren. Vergleichbares hat die Welt seit der Apartheid in Südafrika nicht mehr gesehen. In den USA klopfen derzeit mitten in der Nacht Beamte der Fremdenpolizei an die Türen von Waisenhäusern und Pflegefamilien, um die dort untergebrachten Kinder von Einwanderern abzuholen und in Zeltstädte in der texanischen Wüste zu verfrachten. In Brasilien steht ein Faschist, der Folter, staatlichen Mord und Vergewaltigung gutheißt, vor dem Einzug ín den Präsidentenpalast.
Der Faschismus ist wie ein Aasgeier. Er kreist, wenn der demokratische Staatskörper im Sterben liegt, denn dann wittert er seine Chance. Der Faschismus ist im Laufe der Geschichte fast nirgends aus eigener Kraft an die Macht gekommen. Er brauchte immer mindestens drei Voraussetzungen: Erstens ein verbreitetes Gefühl der Unsicherheit und Zukunftsangst in der Bevölkerung, zweitens eine orientierungslose und demoralisierte Linke und Mitte und drittens Bürgerliche bzw. Konservative, die glauben, ihn für ihre Zwecke einspannen zu können. Das war immer ein fataler Irrtum und es ist auch heute einer. Der Faschismus lässt sich nicht benutzen, er benutzt solche Bürgerlichen und Konservative als Steigbügelhalter.
Alle drei Voraussetzungen sind derzeit erfüllt. Der extrem schnelle technologische Fortschritt lässt immer mehr Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen und die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels kann man kaum mehr verdrängen. Die daraus resultierenden Kriege sowie Flucht- und Migrationsbewegungen machen zusätzlich Angst. Die Linke und linksliberale Mitte weiß nicht, was sie will, was sie tun soll und welche Antworten sie auf die brennenden Fragen geben kann. Viele Bürgerliche und Konservative gehen Koalitionen mit Rechtsextremisten ein und glauben ernsthaft, sie könnten die Geister, die sie da aus der Flasche lassen, kontrollieren.
Sind wir dieser bösen Entwicklung also wehrlos ausgeliefert? Nein, wir können noch dagegen ankämpfen. Aber dazu müssten diejenigen, denen die Demokratie und der Rechtsstaat am Herzen liegen, endlich in die Gänge kommen und glaubwürdige Konzepte vorstellen, mit denen die Angst, die letztlich die Triebfeder hinter der Anfälligkeit vieler Menschen für den Faschismus ist, wirksam bekämpft werden kann. Die demokratische Linke und die demokratische Mitte müssen den rechtsextremen Konzepten, die auf Ausschluss und Quälerei der Schwachen beruhen, eine Politik der Solidarität gegenüberstellen. Wenn schon nicht aus Überzeugung, so doch aus Eigennutz, denn der eingangs erwähnte Text lässt schon durchblicken, was die Faschisten mit denen vorhaben, die nicht in die undemokratische Finsternis mitmarschieren wollen.
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