Es war schon lange überfällig, aber im Land der Sesselkleber kam es dann doch überraschend: Werner Faymann trat am Montag von den Ämtern als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender zurück. Zwei Wochen lang hatte er sich nach der schlimmsten Wahlniederlage, die die SPÖ je erlebte, dagegen gesträubt, doch am Ende konnte er den immer weiter anschwellenden Protest innerhalb der Partei nicht mehr ignorieren. Wie es mit der SPÖ weitergeht, muss jeden interessieren, dem an der Demokratie in Österreich etwas gelegen ist, auch wenn man kein SPÖ-Mitglied ist oder diese Partei nicht einmal wählt.
Die Sozialdemokraten müssen sich nicht nur personell neu aufstellen, sie müssen auch klären, was dazu geführt hat, dass eine einstmalige 50-Prozent Partei dermaßen abstützte, dass sie bei der Bundespräsidentschaftswahl gerade mal knappe zwölf Prozent erringen konnte.
Dazu habe ich ein paar Thesen:
-Der Schwenk in der Asylpolitik war zu abrupt und nicht glaubwürdig. Fast von einem Tag auf den anderen schaltete die SPÖ von „Refugees Welcome“ auf „Schotten dicht“ um. Das stieß die Liberalen, Linken und Menschenrechtler vor den Kopf und brachte der SPÖ gleichzeitig keine einzige Stimme von Fremdenfeinden, da die FPÖ eine Grenzen-dicht-Politik viel glaubwürdiger vertritt. Die SPÖ hätte stattdessen bei ihrer Linie und bei jener von Deutschlands Kanzlerin Merkel bleiben und Druck auf jene EU-Staaten ausüben sollen, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollten und die ganze Last an Deutschland und Österreich auslagerten. Nationalistisches „Österreich-zuerst-der-Rest-Europas-ist-mir-wurscht“-Geschrei passt nicht zur Marke SPÖ.
-Die SPÖ wurde konturlos in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zwar ist Österreich bislang wirklich recht gut durch die weltweite Wirtschaftskrise gekommen, aber fast 500.000 Arbeitslose haben davon nicht viel. Die SPÖ versuchte, der Krise mit einer Mixtur aus alten Rezepten und einer Art „Neoliberalismus light“ beizukommen und schaffte das Kunststück, gleichzeitig ihr Profil als soziale Partei zu verwässern UND als Besitzstandwahrerin jener dazustehen, denen es eh gut geht. Als Beispiel könnte man die Abschaffung der Invaliditätspension für Menschen unter 50 nennen. Die traf die Schwächsten unserer Gesellschaft, aber die SPÖ setzte noch eines drauf und nahm Beamte und Bauern von der Reform aus. Das und ähnliches haben die Arbeiter und Angestellten beobachtet und sich gemerkt. Die Politik der SPÖ nutzte vor allem Beamten und den immer mehr werdenden kommerziellen Vereinen, die Invalide und Arbeitslose „arbeitsfähig“ machen sollen. Statt Ideen zu entwickeln, wie man mit einer technischen Entwicklung umgehen solle, die immer mehr Jobs wegrationalisiert, konzentrierte man sich auf die bürokratische Verwaltung der „Überflüssigen“. Ein mutiges Konzept wie beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen? Fehlanzeige. Und gegen die Begehrlichkeiten von ÖVP und FPÖ, die gerne die bestehenden sozialen Sicherungen wie Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung kürzen oder abschaffen wollen, hat man sich nicht laut und klar genug gewehrt. So hat die SPÖ viele Sympathiepunkte bei den Arbeitnehmerinnen und bei den wirtschaftlich Schwachen verspielt.
-Die SPÖ hat die Digitalisierung der Kommunikation verschlafen. Während die FPÖ virtuos mit Facebook, Twitter, kleinen Internetportalen usw. umgeht und so ohne große Kosten Hunderttausende mit ihren Botschaften erreicht, setzt die SPÖ immer noch auf sauteure Inserate in großen Tageszeitungen. Meinungen werden heute aber nicht mehr von „Krone“ & Co gemacht, sondern an den virtuellen Stammtischen.
-Der SPÖ fehlt eine „große Erzählung“. Die Freiheitlichen haben eine einfache Kernbotschaft: Flüchtlinge und andere „Ausländer“ raus, und schon geht es allen Österreichern wieder gut. Das ist zwar Blödsinn, aber es ist wenigstens eine eindeutige Position. Die ÖVP kann immerhin ihre Kernwählerschaft halten, indem sie auf Kürzungen im Sozialstaat und damit auf Lohnsenkungen pocht. Die SPÖ sitzt da irgendwie zwischen allen Stühlen und kann kein schlüssiges Gesamtkonzept anbieten. Dabei drängt sich ein solches geradezu auf. Die große Frage ist doch: Wie können wir in einer globalisierten Wirtschaft unseren Wohlstand und unseren solidarischen Sozialstaat erhalten? Die SPÖ könnte hier mit klaren Bekenntnissen zu einem Österreich, in dem niemand hungert, obdachlos sein oder verelenden muss, sicher punkten.
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