Das Wahlrecht ist eines der wichtigsten Menschenrechte überhaupt. Es gibt auch jenen Menschen die Möglichkeit zur Mitbestimmung, die im Leben sonst eher benachteiligt sind. Wer jemandem das Wahlrecht entzieht, macht ihn mundtot und wehrlos. Die FPÖ hat nun vorgeschlagen, Besachwaltete und Behinderte vom Wahlrecht auszuschließen. Das ist an Menschenverachtung kaum noch zu übertreffen. Dass der Vorstoß, Behinderte nur nach Untersuchung durch einen Gutachter wählen zu lassen, ausgerechnet vom blauen Präsidentschaftskandidaten und FPÖ-Behindertensprecher (!) Norbert Hofer kommt, macht einen sprachlos.
Rund 60.000 Menschen in Österreich sind besachwaltet. Früher hieß das „entmündigt“. Der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky behauptete, dass von diesen Personen „ein Gutteil im Extremfall nicht weiß, wie sie heißen und sie wissen nicht, dass demokratische Wahlen stattfinden“. Eine ungeheure Unterstellung. Nur ein Bruchteil der Besachwalteten steht so neben der Spur, wie Vilimsky behauptet. Besachwaltet werden in Österreich nämlich keineswegs nur schwerst geistig behinderte Menschen, sondern auch Spielsüchtige, Alkoholiker, Schlaganfallpatientinnen und andere Leute, denen die Kontrolle über ihr Leben zeitweilig entgleitet, die aber sehr wohl wissen, wer sie sind und was sie wollen. Das Besachwaltungsrecht wird gerade reformiert weil die meisten „Entmündigten“ nicht so „dumm“ sind, wie es die FPÖ unterstellt.
Beim Hofer-Vorschlag, Schwerstbehinderte erst zu begutachten, bevor sie wählen dürfen, stellt sich die Frage, wie man „schwerstbehindert“ definiert und nach welchen Kriterien das begutachtet werden soll. Fallen auch Menschen wie Norbert Hofer selbst darunter, der ja bekanntlich erfolgreich um eine Berufsunfähigkeitspension angesucht hat, bevor er Präsidentschaftskandidat wurde? Und: Wenn Behinderte ein Gutachten brauchen, um wählen zu dürfen, sollte man dann nicht auch alle anderen Menschen auf ihre Wahltauglichkeit untersuchen? In Österreich kann fast ein Viertel der Bevölkerung nicht sinnerfassend lesen. Sollen die trotzdem über komplizierte demokratische Prozesse abstimmen dürfen? Natürlich sollen sie! Jeder Mensch mit Ausnahme von Schwerverbrechern, die zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wurden, hat in Österreich das Wahlrecht. Dieses Recht wurde hart erkämpft. Einst durfte nur der Adel wählen, dann nur die Reichen, dann nur die Männer. Erst seit wenigen Jahrzehnten dürfen bei uns wirklich alle wählen. Eine Partei, die das Wahlrecht einschränken will, will die Demokratie einschränken. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen!
Die FPÖ begründet ihre Absicht, Behinderten das Wahlrecht wegzunehmen, mit angeblichen Fällen von Wahlbetrug in Pflege- und Altersheimen. Blöd nur, dass bis heute kein einziger solcher Fall nachgewiesen werden konnte. Blöd auch, dass gerade bekannt wurde, dass die FPÖ in Salzburg den Antrag auf ein Bürgerbegehren zurückziehen musste, weil ein Teil der Unterschriften gefälscht sein könnte. Unter anderem fand sich auf dem FPÖ-Antrag die „Unterschrift“ eines Verstorbenen. Genau die Partei, die allen anderen Wahlfäschung unterstellt, ist also die einzige, die derzeit wirklich mit einem Fälschungsskandal zu kämpfen hat. Ist diese Partei, die anderen das unterstellt, was sie selber macht, und die das demokratische Wahlrecht beschneiden will, wirklich reif und fähig, den Bundespräsidenten oder gar den Bundeskanzler zu stellen?
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