Ein kleiner Junge, nicht älter als sechs, marschiert alleine auf einer griechischen Landstraße in Richtung Norden. Er trägt einen kleinen Sack mit seinen Habseligkeiten und läuft einfach immer weiter, denn im Norden sind irgendwo seine Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten. Im Norden warten aber Hindernisse auf den Bub. Hindernisse, die jeden Tag größer werden. Neue Grenzzäune, hinter denen Polizei und Militär mit Knüppeln und Wasserwerfern darauf warten, den kleinen Jungen und seinesgleichen nach Griechenland zurück zu jagen. Nach Griechenland, wo jetzt schon zehntausende Flüchtlinge im Land herumirren, diesmal vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen. Sie möchten nach Mitteleuropa, aber Mitteleuropa will, dass sie in Griechenland bleiben. Die Griechen, denen man Einkommen und Renten zusammengestrichen hat und von denen über drei Millionen keine Krankenversicherung mehr haben, sammeln Milchpulver und Medikamente für die Flüchtlinge. Die Armen helfen den noch Ärmeren. Österreich, dessen Regierung die Abschottung gegenüber Griechenland durchsetzt, schickt derweil Soldaten an die Südgrenzen. Soldaten mit Panzern. Soldaten, die im Kosovo die „Aufstandsbekämpfung“ trainiert haben. So bereiten wir uns auf den kleinen Jungen vor, der trotzig nach Norden tippelt. Falls er es schaffen sollte, mazedonischen, serbischen, kroatischen und slowenischen Grenzern zu entkommen, wartet das österreichische Bundesheer auf ihn. Im Fernsehen sieht man Außenminister Kurz und Innenministerin Mikl-Leitner und Bundeskanzler Faymann. Die können vor Stolz auf ihre Politik kaum laufen.
In Griechenland brechen die Urlaubsbuchungen um bis zu 90 Prozent ein. Wer will schon in einem großen Flüchtlingslager Urlaub machen? Und das soll Griechenland nach dem Willen einer Balkan-Koalition unter der Führung Österreichs werden: Ein Lager. Wenigstens solange sich Griechenland an internationale Verträge und das Seerecht hält. Österreich, das seit 1918 keinen Zugang zum Meer mehr hat, richtet den Griechen aus, sie sollten Flüchtlingsboote halt zurück in die Türkei schleppen. Das wäre illegal. Flüchtlinge, die es in griechische Gewässer geschafft haben, müssen laut Gesetzeslage in griechische Häfen gebracht werden, wo sie einen Asylantrag stellen können. Und wer in Seenot ist, muss gerettet werden. Griechenland hat also die Wahl, Gesetze zu brechen oder immer mehr Menschen aufzunehmen, die dann in Griechenland hängen bleiben, weil Österreich sich mit Nicht-EU-Staaten gegen das EU-Mitglied Griechenland verbündet hat. Wir machen Politik gegen die EU, gegen Deutschland, Italien, Frankreich, und wir tun uns mit Mazedonien, Serbien und Albanien zusammen. Das könnte Konsequenzen haben, die sich Menschen vom Intelligenzniveau eines Sebastian Kurz nicht ausmalen können. Wenn wir auf die EU pfeifen, wird diese womöglich auch auf uns pfeifen. Schon jetzt hört man im Radio wieder Meldungen, die wie aus einer vergangenen Epoche wirken. Staumeldungen von den Grenzen nämlich. Das ist mindestens so gruselig wie die Panzer, die jetzt an unseren Grenzen stehen. Mit Panzern und Grenzschließungen spielt man nicht, das ist gefährlich, wirklich gefährlich. Unsere Politiker machen es trotzdem, denn sie haben keine Vorstellung mehr von einer solidarischen europäischen Politik. Sie sehen nur noch Meinungsumfragen und die Titelseiten der Krawallzeitungen.
Es sind traurige Zeiten. Die österreichischen Politiker von SPÖ, ÖVP und FPÖ zeigen täglich, dass sie aus der Geschichte nichts gelernt haben. Wer Panzer an seine Grenzen stellt und Bündnisse gegen die EU schmiedet, statt an einer europaweiten gemeinschaftlichen Lösung der Krise zu arbeiten, hat jeden Geschichtsunterricht gut verdrängt und im Religions- oder Ethikunterricht wohl geschlafen. Menschen sind auf der Flucht vor einem bestialischen Krieg und uns fällt nichts anderes ein, als Zäune zu bauen gegen diese Menschen. Eine Bankrotterklärung. Und ein Weg, der uns in eine neue große Katastrophe führen könnte. Und wie bei den zwei vorherigen großen Katastrophen ist Österreich auch diesmal wieder ganz vorne dabei beim Zug der Lemminge.
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