Es gibt ein altes Sprichwort: „Schlafende Hunde soll man nicht wecken“. Die Kärntner ÖVP hielt es vorige Woche trotzdem für eine gute Idee, in einen Zwinger voll schlummernder Pitbulls zu steigen und ein paar Böller abzufeuern. Nach Jahrzehnten mühseligster Reibereien zwischen den Kärntner Volksgruppen ist endlich Ruhe eingekehrt und alle Seiten haben eingesehen, dass das Land wohl groß genug für deutsch- UND slowenischsprachige Kärntner ist, dass die blöden Streitereien wegen ein paar Ortstafeln niemandem nützen und dass wir alle, egal welche Sprache wir zuhause sprechen, Österreicher mit den gleichen Rechten und Pflichten sind. Und dann kommt die ÖVP daher und regt sich über einen Satz in der geplanten neuen Landesverfassung auf. Einen Satz, den die ÖVP übrigens selber hineingeschrieben hatte und der etwas völlig Selbstverständliches sagt: „Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen“. ÖVP-Obmann Christian Benger behauptet, „die Menschen“ verstünden den Satz nicht und der Satz „spaltet das Land“. Als ich letztens nachgeschaut habe, lebten zwischen St. Paul im Lavanttal und Heiligenblut recht viele Menschen, darunter etliche ÖVP-Wähler. Diese Menschen verstehen es erstens sehr wohl, dass ein Land seine Bürgerinnen und Bürger gleich behandeln sollte und haben zweitens die Nase gestrichen voll vom sogenannten Volksgruppenstreit. Wenn die ÖVP diesen zum Glück erloschenen Konflikt jetzt wieder anheizen will, macht sie einen großen taktischen Fehler, denn sollte wirklich wieder Streit zwischen den Sprachgruppen ausbrechen, dann werden davon eher SPÖ und FPÖ profitieren, denn die haben traditionell wesentlich mehr Rückhalt bei den Deutschnationalen als die Volkspartei.
Die vergangenen Tage standen auch bundesweit im Zeichen eines schwarzen Rechtsrutsches. Innenminister Sobotka preschte ohne Not mit dem Begehren vor, das Demonstrationsrecht einzuschränken. Das wäre eventuell verständlich, wenn bei uns andauernd Straßenschlachten stattfinden würden, bei denen halbe Innenstädte zu Bruch gehen, aber davon ist weit und breit nichts zu sehen. 90 Prozent aller Demonstrationen bestehen aus kleinen Grüppchen, die in Wien mit Schildern und Transparenten aufmarschieren, ein paar Stunden lang den Verkehr in irgendeiner Gasse ein bisschen behindern und dann wieder nachhause gehen. Nur alle paar Jubeljahre kommt es zu Ausschreitungen. Wenn wir die paar Demonstranten nicht aushalten, können wir die Republik gleich zusperren und stattdessen eine Diktatur ausrufen. Natürlich ist es für unmittelbare Anrainer nicht immer super, wenn vor der Haustür oder vor dem Geschäftslokal Leute herumschreien, aber Demokratie ist nicht immer nur bequem. Manchmal ist sie auch mühsam und erfordert Toleranz. Das ist nämlich ihr Wesen. Wenn sie intolerant wird, hört sie auf, eine Demokratie zu sein. Die Demonstrationsfreiheit unterscheidet halbwegs freie und demokratische Länder von Polizeistaaten und Diktaturen. Menschen haben einst ihr Leben dafür riskiert, dieses demokratische Recht durchzusetzen. Natürlich gibt es kein Recht auf Sachbeschädigung und Randale, aber das zu verhindern ist Aufgabe der Polizei. Keinesfalls Aufgabe der Polizei sollte es sein zu entscheiden, wer wann und wo demonstrieren darf.
In Graz haben die Schwarzen gerade beeindruckend dazugewonnen. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass der Rechtskurs Erfolg bringt, vielleicht zeigt es aber nur die Polarisierung im Land, denn die Kommunisten schnitten in der steirischen Landeshauptstadt auch überraschend stark ab. Es ist zu hoffen, dass die ÖVP ihre Scharfmacher wieder in den Griff kriegt, denn das Land hat ganz andere Probleme als längst überwundene Volksgruppenkonflikte und ein paar demonstrierende Hanseln. Die Österreicher erwarten sich Maßnahmen gegen die immer noch steigende Arbeitslosigkeit, gegen den wuchernden Dschungel der Bürokratie und gegen nationalistische Strömungen, die unsere Beziehungen zu den Nachbarn und damit den Handel gefährden. Eine moderne europafreundliche Wirtschaftspartei mit sozialem Gewissen – das wäre das Profil der ÖVP, damit könnte sie punkten, ohne bedenklich weit nach rechts zu rücken.
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