Gertrude hat es am eigenen Leib erlebt. Hineingegangen ins KZ ist ihre ganze Familie, herausgekommen ist nur sie allein. Bevor die Konzentrationslager gebaut wurden, kamen der Hass und das Aufhetzen von Menschen gegen Minderheiten. Gertrude ist 89 Jahre alt und hat in einer kurzen Videobotschaft davor gewarnt, die Hetzer und Aufhusser zu wählen (wer das Video noch nicht gesehen hat: Unbedingt ansehen). Wer in einer Woche Norbert Hofer wählen will, weil „endlich mal etwas passieren soll“, oder weil ihm einfach langweilig ist oder weil er eine Wut hat, der soll auf Frau Gertrude hören! Radikale Politiker sind schnell gewählt, aber was danach kommt, lässt sich vielleicht nicht wieder so schnell abwählen.
Die FPÖ-Ortsgruppe Radenthein hat die bedächtigen Warnungen der Zeitzeugin in einem zwölf Mal (!) geänderten Facebookposting als „das wohl übelste Hetzvideo, das jemals in diesem Land von einer Partei produziert wurde“, bezeichnet und schwafelt von „Öko-Links-Faschisten“ (sic). Wer das Video mag, ist laut FPÖ-Radenthein „gehirngewaschen“ oder kommt „von der gestrigen Marihuana-Party“. So viel Hass und Verachtung für eine alte Frau, die darauf hinweist, dass es schon einmal genau so angefangen hat - das muss der FPÖ erst einmal jemand nachmachen, das richtet sich von selbst.
Der Klage schließt sich Frau Gertrude an und ruft dazu auf, am 4. Dezember Alexander Van der Bellen zu wählen. Nicht weil er die Grünen so super finden täte oder weil er die FPÖ als Ganzes so sehr hassen würde, sondern weil Norbert Hofer kein normaler rechter Politiker ist. Er ist einer vom äußersten rechten Rand. In seinem Büro arbeiten Leute, die früher aktive Neonazis waren und bei „Wehrsportübungen“ trainierten, wie man Menschen besonders effektiv umbringt. Hofer ist Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft, die als besonders rechts gilt, und er hat angekündigt, seine Mitgliedschaft auch als Bundespräsident nicht zurücklegen zu wollen. Brigitte Bailer, Dozentin für Zeitgeschichte an der Universität Wien, hat über ein von Hofer herausgegebenes Büchlein gesagt, dieses sei „nach allen wissenschaftlichen Kriterien als rechtsextrem einzustufen“. Hofer hat mehrmals die Abschaffung des Verbots der Nationalsozialistischen Wiederbetätigung gefordert, das in Österreich die Neugründung von NSDAP und SS untersagt und das Herzeigen von Hakenkreuzfahnen verbietet. Wieso will ein angeblicher Demokrat das Verbot der Nazipartei aufheben? Wieso will er, dass man in Österreich straflos Hakenkreuz und Hitlergruß zeigen kann? Hat es einmal nicht gereicht mit Führer und Krieg und Massenmord? Will man das unbedingt ein zweites Mal probieren?
Norbert Hofer wäre kein Präsident für alle Österreicher, sondern einer für eine kleine Elite aus Burschenschaftern und FPÖ-Politikern. Alexander Van der Bellen kann man viel eher zutrauen, mit Ruhe und Toleranz ein Staatsoberhaupt zu sein, dass wirklich alle Menschen in diesem Land repräsentiert. Nicht nur extrem rechte Akademikermänner, sondern auch Frauen, Arbeiter, Kleinunternehmerinnen, Studenten, Konservative, Linke und Liberale. Die gehören nämlich auch zu Österreich, nicht nur die extrem rechten Burschenschafter mit ihrem Weltbild von vorgestern. Österreich war bislang ein offenes Land mit offenen Menschen. Hier wird keiner unterdrückt, solange er nicht selber andere unterdrücken will. So möge es bitte bleiben. Und wenn Ihr dem Klage nicht glaubt, dann hört wenigstens auf Frau Gertrude und ihre Lebenserfahrung!