Es ist sehr lieb von unseren Politikern, dass sie uns schon wieder wählen lassen wollen. Nach den nur drei Wahlen vom vorigen Jahr haben wir den Dauerkrach von Wahlkämpfen, all die TV-Diskussionsrunden, tausende Plakate und das wilde Facebook-Freistilringen schon richtig vermisst. Und die Logik, mit der man uns die Neuwahlen verkauft, ist unschlagbar: „Lasst uns rasch mit der Arbeit aufhören und stattdessen Wahlkampf machen, damit wir endlich wieder arbeiten können“. Top.
Aber schauen wir uns jetzt an, wie die Chancen für die einzelnen Parteien stehen.
ÖVP. Die Volkspartei hat einerseits den Malus, die Neuwahlen vom Zaun gebrochen zu haben. Andererseits hat sie mit Sebastian Kurz jetzt das frischeste Gesicht aller Parteien und einen extrem ehrgeizigen und talentierten jungen Mann an der Spitze. Vielleicht eine Spur zu ehrgeizig und zu jung? Es wird vieles davon abhängen, ob Kurz die ÖVP hinter sich vereinen wird können und sich gegen die bei den Schwarzen so beliebten Querschüsse gegen die eigenen Leute absichern kann. Die ÖVP spielt jedenfalls auf volles Risiko, denn möglich ist jetzt alles: Ein rasender Aufstieg zur Nummer 1 oder der totale Absturz. Kurz wird auch erst beweisen müssen, ob er sich in der direkten Auseinandersetzung mit dem auch nicht gerade ungeschickten SPÖ-Chef Kern und dem erfahrenen Polit-Fuchs Strache messen kann. Bisher war er als Außenminister ja in der bequemen Situation, sozusagen von Außen die anderen kritisieren zu können. Als ÖVP-Spitzenkandidat sieht die Sache schon anders und viel schwerer aus. Die Frage wird auch sein, ob die FPÖ gewillt ist, unter einem Bundeskanzler Kurz den Juniorpartner zu spielen oder Kurz den Steigbügelhalter für Strache. Beide sind ehrgeizig, beide wollen nicht Nummer zwei werden.
SPÖ. Die Sozialdmokraten werden versuchen, sich als jene Partei zu verkaufen, die arbeiten statt wahlkämpfen will. Relativ still hat sich die Partei unter Christian Kern auch neu positioniert und die jahrelange Abgrenzung zur FPÖ schrittweise aufgegeben. Das eröffnet den Roten ganz neue strategische Möglichkeiten und befreit sie aus der unangenehmen Lage, von der ÖVP politisch erpressbar zu sein. Aber ganz ohne Risiko ist das nicht, da gerade in den größeren Städten viele Menschen die SPÖ gerade deswegen gewählt haben, um die FPÖ von der Macht fernzuhalten. Kern muss es gelingen, mit der Hilfe des vom Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser ausgearbeiteten Kriterienkatalogs die Stammwähler davon zu überzeugen, dass eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen nicht die Aufgabe zentraler roter Positionen bedeuten würde. Schafft er das, könnte es am Ende dieses Jahres ganz lange Gesichter bei der ÖVP geben, wenn dann nämlich plötzlich eine rot-blaue Koalition regiert.
FPÖ. Heinz-Christian Strache und seine Mannen könnten vom Chaos, das die Regierungsparteien angerichtet haben, profitieren. Aber es besteht auch das Risiko, dass die Blauen zwischen dem sich abzeichnenden Kampf der Alpha-Männchen Kern und Kurz zerrieben werden. Außerdem sind SPÖ und ÖVP in vielen Fragen so weit nach rechts gerückt, dass dort der Platz eng geworden ist. Geht man von den jüngsten Auftritten und Äußerungen Straches aus, bemüht sich die FPÖ um ein seriöseres Image und will als lösungsorientierte Rechtspartei ohne übertrieben extreme Aussagen um Wählerstimmen werben. Bislang funktioniert das auch ganz gut, denn neben den verbalen Schlägereien, die sich Rote und Schwarze derzeit liefern, wirken die Blauen richtig zivilisiert. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die FPÖ nicht auf die ÖVP festlegen lässt und sich alle Optionen offen hält.
Grüne. In der schlechtesten Ausgangslage für Neuwahlen sind im Moment die Grünen. Sie waren in den vergangenen Monaten ganz mit sich selbst und ihren Jugendorganisationen befasst und kamen ansonsten in der öffentlichen Debatte kaum vor. Die Partei um Eva Glawischnig muss so schnell wie möglich eine klare inhaltliche Position finden, die sie eindeutig von allen anderen unterscheidet. Da fast alle anderen Parteien sich als Interessenvertreter der Wirtschaft und als harte Anti-Flüchtlings-Sheriffs inszenieren, böte sich als Schwerpunkt eines Wahlkampfs die Frage der sozialen Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte an. Kriegen die Grünen ihre inneren Streitereien unter Kontrolle und finden sie eine klare öko-soziale Linie, könnten sie vor allem bei jenen Wählerinnen und Wählern punkten, denen SPÖ und ÖVP zu sehr nach rechts gerutscht sind.
NEOS. Die liberale Partei um Matthias Strolz steht vor ähnlichen Chancen und Risiken wie die Grünen, Auch die pinkfarbene Partei könnte Wähler ansprechen, welche die Law & Order-Linie der bisherigen Regierung nicht goutieren. Aber auch die NEOS haben nach wie vor ein Inhalts-Problem. Sie kommunizieren ihre Absichten und Pläne bislang nicht ausreichend und haben vor allem im ländlichen Raum kaum eine Basis.
Team Stronach. Die Parteischöpfung des Austro-Kandiers Frank Stronach wird vermutlich bei kommenden Neuwahlen gar nicht mehr bundesweit antreten können. Die Zukunft dieses politischen Projekts liegt eher bei lokalen Ablegern wie dem Team Kärnten um Gerhard Köfer, der mit rühriger Sachpolitik und seiner bürgernahen Art bislang eine bessere Figur macht, als viele ihm zugetraut hatten.
Das sind erste Einschätzungen der Ausgangslage für die kommenden Neuwahlen. Für die gilt aber vor allem: Nix ist fix. Noch nie war so offen, wie sich die Stimmung im Land verändern wird, wohin der nun offen losgehende Wahlkampf führen wird und wer am Ende des Tages der lachende Sieger sein wird. Es ist derzeit noch nicht einmal sicher, ob die Neuwahlen schon heuer, vielleicht schon im Sommer, kommen oder ob die SPÖ eine Minderheitsregierung macht und bis 2018 weiterwurstelt. Wir dürfen jedenfalls eine harte Auseinandersetzung erwarten, bei der es auch zu bösen Tiefschlägen kommen wird. Und es wird ein Wahlkampf sein, der mehr als je zuvor im Internet und in den Sozialen Medien ausgetragen werden wird.
Kontakt:redaktion@mein-klagenfurt.at