ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat gefordert, islamische Kindergärten zu verbieten. Das ist gar keine schlechte Idee, aber man müsste dann konsequenterweise auch katholische, evangelische, jüdische, buddhistische und überhaupt alle religiösen Kindergärten verbieten. Warum? Weil gleiches Recht für alle gelten muss. Gleiches Recht für alle ist der Grundpfeiler der Zivilisation. Ein Sonderrecht für bestimmte Gruppen ist das Gegenteil von Zivilisation. Seit der babylonische König Hammurabi vor fast 2000 Jahren einen Codex veröffentlichen ließ, der genau festlegte, was in seinem Reich erlaubt war und was nicht, war die Idee vom Gesetz in der Welt. Vom Gesetz, das für alle gleich gelten sollte. Immer dann, wenn die Menschheit von dieser Idee abwich und bestimmte Gruppen von dieser Gleichheit ausnahm, egal ob positiv oder negativ, erlebten wir Phasen des Niedergangs und der Barbarei. Natürlich wurde das Prinzip nie vollständig durchgesetzt, natürlich ist es auch heute noch in fast allen Ländern so, dass zum Beispiel Menschen mit Geld vor dem Gesetz besser dastehen als arme Menschen. Natürlich ist die Gleichheit vor dem Gesetz oft nur Theorie. Aber diese Theorie ist wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung. Der Manager des Großkonzerns soll idealerweise für Gesetzesverstöße genauso hart (oder nicht hart) bestraft werden wie der Obdachlose.
Religiöse Kindergärten gesetzlich gleich zu behandeln heißt nicht, dass die alle tatsächlich gleich sind. Es ist logisch, dass man angesichts der schlimmen Rolle, die islamische Gehirnwäsche im Zusammenhang mit Terrorismus spielt, bei islamischen Kindergärten besonders genau hinschauen muss. Man muss nachprüfen, ob dort Hass gepredigt wird. Man muss überprüfen, ob das, was man den Kindern dort beibringt, im Einklang mit den Werten von Demokratie und Menschenrechten steht. Das sollte man freilich bei allen Kindergärten machen, was uns wieder zurückführt zu der Frage: Wozu überhaupt konfessionelle Kindergärten? Warum sollten schon kleine Kinder voneinander getrennt werden statt miteinander zu spielen, ganz egal, woran ihre Eltern glauben? Muss man im 21. Jahrhundert immer noch akzeptieren, dass Eltern ihre Kinder nur dorthin schicken, wo die Religion der Eltern vorherrscht?
Dass es auch anders geht, kann man in den meisten skandinavischen Ländern sehen. Alle Kinder, ganz egal welcher religiösen Herkunft, gehen dort in die gleichen Kindergärten und Schulen. Privatkindergärten und Privatschulen sind verboten. Der Sohn vom Manager geht in die gleiche Schule wie die Tochter der Supermarktkassiererin. Die Tochter vom Pfarrer geht in den gleichen Kindergarten wie der Sohn vom Imam. Und in der Schule besuchen alle Kinder, egal ob reich oder arm, klug oder „dumm“, dieselben Klassen. Das Resultat ist, dass die skandinavischen Kinder bei internationalen Vergleichstests immer besonders gut abschneiden. Vielleicht hat ja gerade dieses Aufeinandertreffen von Kindern verschiedener sozialer und kultureller Herkunft etwas Anregendes? Womöglich ist unser Hang, Kinder möglichst früh voneinander zu separieren, Schuld an den schlechten Pisa-Tests wie auch an der Intoleranz in der Gesellschaft?
Gemeinsame Kindergärten und Schulen für alle müssen ja nicht bedeuten, dass dort keine religiösen Werte vermittelt werden. Man kann Kindern doch auch die verschiedenen Religionen und deren Weltanschauungen beibringen, ohne eine der anderen vorzuziehen. Und vor allem: Ohne ihnen zu sagen, ihre Religion sei besser als alle anderen Religionen. Letzteres ist etwas, das oft in islamischen Kinderhorten und Schulen gelehrt wird. Es ist falsch. So falsch, wie auch umgekehrt eine generelle Verteufelung des Islam falsch ist. Wir alle teilen eine kleine Welt, und wir müssen lernen und unsren Kindern lehren, miteinander auszukommen und die anderen nicht abzuwerten. Der Frieden von morgen wird heute in den Kindergärten und Schulen gelehrt – oder auch nicht. Wir haben die Wahl.
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