Ein Geschäft soll man dort aufmachen, wo schon andere Geschäfte sind, lautet eine alte Kaufmannsweisheit. Das weiß auch Kastner & Öhler, weswegen die Grazer Handelsgruppe ein neues Modehaus direkt neben den Klagenfurter City Arkaden in der Waaggasse bauen will. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet macht das Sinn und man kann K&Ö kaum vorwerfen, sich dort ansiedeln zu wollen, wo es schon jetzt eine hohe Kundenfrequenz gibt. Eine Stadt ist aber mehr als nur ein Standort für Geschäfte. Eine Stadt ist immer auch eine Art Organismus und die Kundenströme sind wie das Blut, das durch diesen Organismus fließt. Wenn das Blut sich nur an einer Stelle sammelt, drohen schlechter durchblutete Bereiche des Körpers abzusterben und dort, wo sich alles Blut sammelt, kann es zum Verschluss der Gefäße kommen. In Klagenfurt ist dieser Prozess schon seit einigen Jahren zu beobachten. In der Gegend rund um die City Arkaden steppt der Bär (und staut sich der Verkehr) während die Region südlich des Neuen Platzes langsam zu veröden droht. Hier sollte, nein, müsste die Stadtpolitik lenkend eingreifen.
Eine Politik, die sich über die Interessen der Wirtschaft hinwegsetzt, ist zum Scheitern verurteilt. Eine Politik, die nur die Interessen der finanzstärksten Teile der Wirtschaft berücksichtigt, aber ebenso. Stadtpolitik muss immer die Interessen der ganzen Stadt im Auge haben, falls sie will, dass die ganze Stadt floriert. Ein mehrstöckiges Modehaus von Kastner & Öhler wäre für Klagenfurt vor allem dann ein Gewinn, wenn man dem Unternehmen einen Standort im südlichen Teil der City schmackhaft macht. Das ehemalige KTZ-Gebäude böte sich dafür ebenso an wie der halb leer stehende Quelle-Komplex am Heiligengeistplatz oder auch das alte Geschäftshaus am Domplatz. An einem dieser Standorte einen neuen Kundenmagneten zu installieren hätte den unbestreitbaren Vorteil, die Innenstadt frequenztechnisch auszubalancieren.
Es geht aber nicht allein um Geschäfte, sondern auch um andere Fragen. Schon jetzt sind die enge Waaggasse und die obere Bahnhofstraße Nadelöhre. Stellt man dort ein neues großes Kaufhaus hin, droht diese Verengung zum Infarkt zu werden. Dauer-Stau ist aber wohl kaum das, was sich Kunden und Anrainer wünschen. Auch Fragen des Denkmalschutzes stellen sich. Hinter dem Gelände, auf dem Kastner & Öhler bauen will, sind die letzten Reste der Klagenfurter Stadtmauer zu besichtigen. Werden die einfach hinter einem Großbau verschwinden, vielleicht sogar abgerissen? Wie wird sich ein drei- bis vierstöckiger Neubau in das Altstadtensemble einfügen? Immerhin wäre die Kapuzinerkirche mit dem kleinen Friedhof direkte Nachbarin.
Klagenfurt sollte hier mit Bedacht und kluger Planung vorgehen. Immerhin sind in der Stadt mehrere Wirtschaftsruinen als Mahnmäler für falsche Planung zu besichtigen, darunter nicht zuletzt das ehemalige Kastner & Öhler-Gebäude am Völkermarkter Ring.
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