„Linke verharmlosen den Islam“
Das liest und hört man täglich, und ich frage mich dabei immer: Von welchen Linken ist hier die Rede? Ich kenne keinen Linken, der den Islam als ideologisch-religiösen Komplex gut finden würde und der die rückschrittlichen und frauenfeindlichen Tendenzen im Islam (und in jeder anderen Religion) nicht zutiefst ablehnt. Linke haben, bitte sehr, die Religionskritik und damit auch die Kritik am Islam erfunden. Linke können aber zwischen den verschiedenen Varianten des Islam ebenso unterscheiden wie sie wissen, dass „der Islam“ nicht dasselbe ist wie „alle Muslime“. Linke kritisieren die ideologischen und politischen Aspekte einer Religion, nicht die Menschen, die zufällig als Mitglieder dieser Religion geboren wurden. Und die rechte Islamkritik ist keine, sie ist strukturell rassistisch. Rechte sagen: „Unsere Religion ist besser als eure“. Linke sagen: „Alle Religionen haben gute und schlechte Seiten, aber wichtig ist es, eine Welt zu schaffen, in der es allen Menschen so gut geht, dass keiner aus Verzweiflung religiös oder gar fanatisch religiös werden muss, weil er keine Hoffnung mehr auf ein besseres Leben im Diesseits hat“. Rechte sehen in allen Muslimen Feinde. Linke wissen, dass niemand als radikaler Islamist geboren wird, dass nicht alle Mitglieder einer Gruppe gleich sind und dass sich Menschen ändern können, weil sie lernfähig sind.
„Ihr Linken verhätschelt mit eurer Kuscheljustiz Verbrecher“
Nein, wir Linken wissen einfach nur, dass aus einem Verbrecher kein besserer Mensch wird, wenn man ihn im Gefängnis misshandelt. Es gibt dazu hartes Datenmaterial aus der ganzen Welt. In Norwegen, wo die absolute Höchststrafe bei 21 Jahren liegt und die Gefängnisse fast wie Kurhotels sind, in denen Gefangene wie echte Menschen behandelt werden, ist die Rückfall-Quote eine der niedrigsten der Welt. In den USA, wo es die Todesstrafe gibt und die Haftbedingungen die schlechtesten der industrialisierten Welt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer nach der Haft wieder ein Verbrechen verübt, vier Mal so hoch wie in Norwegen. Ein humaner Strafvollzug ist also keine sozialromantische Spinnerei, sondern liegt im besten Interesse aller. Das Bedürfnis nach Strafe und Rache mag menschlich verständlich sein, aber vernünftig ist es nicht.
„Die Linken betreiben Gleichmacherei“
Ein alter Vorwurf, der sich bis zum Schlachtruf der französischen Revolution zurückverfolgen lässt. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ war die Losung, und im Prinzip ist das noch heute der Kern linken Denkens. Gleichheit bedeutet aber natürlich nicht, dass Linke glauben, alle Menschen wären exakt gleich oder sollten exakt gleich gemacht werden, sondern dass alle Menschen die gleichen Rechte und den gleichen Anspruch auf ein Leben in Würde haben. Der Arbeiter ist nicht weniger wert als der Milliardär, nur weil er weniger Geld hat, der Mensch mit der dunkleren Hautfarbe ist nicht weniger wert als der mit der hellen, der Anhänger der einen Religion ist nicht mehr wert als der der anderen oder der Atheist, Kranke und Alte sind nicht weniger wert als Gesunde und Junge, und wer als Mann einen Mann liebt oder als Frau eine Frau, ist nicht weniger wert als Heterosexuelle. Das ist die Gleichheit, die Linke meinen. Die echten Gleichmacher sind jene Rechten, die Menschen in Kollektive einteilen und zum Beispiel sagen, „die Christen“ wären besser als „die Moslems“, oder „die Weißen“ wären besser als „die Schwarzen“.
„Linke kümmern sich nur um Minderheiten statt um die Mehrheit“
Das ist von allen Unterstellungen eine der falschesten. Was wir heute in weiten Teilen Europas haben, nämlich gut ausgebaute Wohlfahrtsstaaten, starke Arbeitnehmerrechte mit wochenlangen Urlauben, wenigstens nominelle Gleichberechtigung der Geschlechter, Zugang für alle zu guten Schulen und Universitäten, flächendeckende Kinderbetreuung, eine medizinische Versorgung auf Spitzenniveau, Maßnahmen gegen akute Armut wie die Mindestsicherung oder Ausgleichszahlungen für Bezieher kleiner Pensionen – all das und mehr haben linke Politikerinnen und Politiker erkämpft, zusammen mit meist linken Gewerkschaften. Das alles kam und kommt der großen Mehrheit zugute. Auch den Reichen, denn je weniger Elend und Armut es gibt, umso besser und sicherer leben auch die Millionäre. Hätte es keine Linken gegeben, würden wir noch heute nach einem 15-Stunden-Tag im Bergwerk oder in der Fabrik abends in ein Bett fallen, das wir uns mit vier anderen im Schichtbetrieb teilen, und unsere Kinder würden nicht zur Schule gehen, sondern arbeiten, falls sie nicht gerade an einer behandelbaren Krankheit zugrunde gehen. Aber ja, auch die Rechte von Minderheiten waren und sind Linken ein großes Anliegen, weil Linke eben meinen, dass die Menschenrechte für alle gelten, egal ob Mehrheit oder Minderheit.
„Die Linken machen die Wirtschaft kaputt“
Auch das ist ein geradezu grotesker Vorwurf. Demokratische Linke und ihre Ideen haben den Massenwohlstand und damit die Massenkaufkraft erst ermöglicht. Natürlich ging und geht das nur, wenn ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stattfindet, wenn also weder die produzierende Wirtschaft abgewürgt wird noch die Arbeiter und Arbeiterinnen zu sehr ausgebeutet werden. Das war und ist der sozialdemokratische Ansatz: Ein wirtschaftsfreundliches Klima muss nicht automatisch ein menschenfeindliches sein. Das hat Österreich gezeigt und das haben vor allem die skandinavischen Länder gezeigt. Die demokratische Linke wirft der Wirtschaft keine Knüppel zwischen die Beine, ist sich aber bewusst, dass Wirtschaft wir alle sind, also auch Arbeitnehmer und Konsumenten, denn ohne Arbeitnehmer und Konsumenten müssten die Eigentümer und Manager ihre Produkte alleine zusammenbauen und könnten sie dann niemandem verkaufen. Linksextremismus, also zum Beispiel die totale Verstaatlichung aller Wirtschaftsbereiche, hat sich freilich als Fehlweg herausgestellt, der in die Pleite ganzer Weltregionen führte. Wobei sich die Frage stellt, ob Linksextremismus noch links ist oder mehr mit Extremismen anderer Art zu tun hat, denen allen gemein ist, letztlich die ökonomische Basis der Staaten, in denen sie regieren, zu zerstören. Die wirtschaftliche Bilanz der demokratischen Linken, vor allem der Sozialdemokratie, ist hingegen zwar nicht fehlerfrei, kann sich aber durchaus sehen lassen. Kurz: Linke machen die Wirtschaft nicht kaputt, sondern sorgen dafür, dass alle was von ihr haben, nicht nur das oberste eine Prozent.
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