Die Nachricht verbreitete sich rasend schnell und sorgte auf Facebook und Twitter für helle Aufregung und Empörung: Deutsche Bundeswehrsoldaten haben in Litauen ein minderjähriges Mädchen vergewaltigt! In mehreren litauischen Zeitungsredaktionen und bei einigen Politikern waren E-Mails eingegangen, die die angebliche Untat detailliert beschrieben, inklusive Namen der angeblichen Täter und des angeblichen Opfers. Einige Zeitungen berichteten sogar über die „Vergewaltigung“. Wenige Tage später stellte sich heraus: Alles frei erfunden. Die litauische Polizei war der Sache nachgegangen und hatte herausgefunden, dass überhaupt nichts passiert war. Ein Fall von „Fake News“ oder, wie man früher sagte und eigentlich wieder sagen sollte, Propaganda. Die Spur der E-Mails führt nach Russland, von wo aus schon seit Jahren versucht wird, mit gezielten Falschmeldungen Einfluss auf die westliche Politik zu nehmen. So hatten russische Medien voriges Jahre wochenlang behauptet, dass Flüchtlinge in Deutschland eine junge Russin vergewaltigt hätten. Es gab sogar Demonstrationen und Online-Petitionen an die Behörden, „die Wahrheit“ nicht länger zu verschweigen. Die Wahrheit war aber, dass auch dieser Fall einfach erfunden worden war, um die Bevölkerung gegen Angela Merkel aufzuhetzen.
In den USA regiert nun ein Mann, der die unabhängigen Medien pauschal als „Fake News“ beschimpft und der Lüge bezichtigt, obwohl noch nie zuvor ein Politiker nachweislich so viel gelogen hat wie er. Auch in Österreich reden Politiker immer öfter von „Stimmungen im Volk“ statt von der Wirklichkeit und hunderte Internetseiten lügen fleißig vor sich hin. Sie verbreiten Unwahrheiten, die dann zehntausendfach auf Facebook und anderen Netzwerken weiterverbreitet werden. Nun ist es zwar nicht verboten, zu lügen, aber wenn die Lügen mächtiger werden als die Wahrheit, dann ist das Fundament der Demokratie in Gefahr, denn wenn immer mehr Menschen die Realität nicht mehr anerkennen, geht die gemeinsame Basis für Gespräche und Debatten verloren. Wenn das, was Wissenschaftler erforschen und was Journalisten mit harter Arbeit recherchieren nicht mehr ernst genommen wird und jeder nur mehr das glaubt, was zu seinem eigenen Weltbild passt, verschwindet die Grundlage für ein zivilisiertes Miteinander. Und genau das steckt hinter den “Fake News“ und hinter dem Versuch, seriöse Berichterstattung mit Propaganda gleichzusetzen. Die Leute, die Falschnachrichten erfinden und verbreiten, möchten die Demokratie destabilisieren, indem sie die Wirklichkeit selbst attackieren. Das Einverständnis darüber, was real ist, verschwindet und damit auch das Vertrauen in die Institutionen. Das ist eine gute Voraussetzung für jene Kräfte, die das demokratische System aus den Angeln heben wollen, seien diese Leute nun extrem rechts oder extrem links.
Vielleicht ist es ohnehin schon zu spät, aber man fragt sich dennoch, warum die demokratisch gesinnten Politiker nicht auf diesen Generalangriff reagieren. Wo bleiben die großen Förderprogramme für Projekte, die sich der Enttarnung von Internet-Lügen widmen? Wieso kriegen hetzende Boulevardmedien Presseförderung, obwohl sie immer wieder Lügengeschichten drucken? Und warum zum Teufel macht man die geplante neue Presseförderung, von der auch Onlinemedien und Blogs profitieren sollen, allein von der Zahl der dort angestellten Mitarbeiter abhängig und nicht von der journalistischen Qualität? In den USA hat sich Donald Trump vermutlich mit der Hilfe des russischen Geheimdiensts und eines Netzwerks an tatsächlich „Fake News“ verbreitenden Blogs an die Spitze der Nation geschummelt. Wenn wir nicht wollen, das so etwas auch bei uns passiert, müssen wir alle endlich munter werden und Widerstand leisten! Das heißt: Propaganda auch als solche zu bezeichnen und Lügen nicht unwidersprochen stehenzulassen. Egal ob auf Facebook, in den Zeitungen, im Gasthaus oder bei Familientreffen.
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