„Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“, umriss der österreichische Außenminister vor einem Jahr seine Pläne in der Flüchtlingspolitik, und er hielt Wort. Nicht zuletzt auf Österreichs Drängen hin wurde die Balkan-Route weitgehend dicht gemacht, weswegen wir in den vergangenen Tagen eine Menge hässlicher Bilder aus Griechenland, Kroatien, Serbien, und Mazedonien zu sehen kriegten. Bilder von Menschen, die unter dünnen Zeltplanen bei minus 20 Grad ums Überleben kämpften. Bilder von erfrorenen Kindern. Bilder, bei denen einem normalen Menschen die Tränen kommen. Doch rechte Parteien und jene Politiker, die die Rechten rechts überholen wollen, haben erfolgreich die Wirklichkeit verdreht. Inzwischen gelten Grausamkeit und Gleichgültigkeit als normal und Nächstenliebe und Solidarität als Spinnerei. Wer bei den Bildern frierender Menschen die Achseln zuckt oder eine höhnische Bemerkung macht, kriegt Applaus. Wer Mitgefühl zeigt, darf sich anhören, ein naiver Gutmensch oder schlimmeres zu sein. Danke, rechte Schreihälse und danke Politiker, die ihr auf die Schreihälse hört! Ihr macht uns Schritt für Schritt zu Unmenschen.
Das Nachäffen rechter Positionen durch Politiker der Mitte geht natürlich nicht lange gut. Als die ÖVP kürzlich die Halbierung der „Obergrenze“ für Flüchtlinge forderte, kam die FPÖ sofort mit einer viel extremeren Position daher und verlangte eine „Minus-Zuwanderung“, also Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, wieder wegzuschicken. In vielen anderen europäischen Ländern ist es ähnlich. Jene Kräfte, die ihr Land abschotten und weder Zuwanderung noch Flüchtlinge akzeptieren wollen, haben Oberwasser. Das ist durchaus demokratisch legitim, aber abgesehen davon, dass es nicht sonderlich moralisch ist, gibt es da schon ein kleines Problem: Keiner der Politiker, der mit Abschottung und Fremdenfeindlichkeit Stimmung macht, schenkt den Leuten reinen Wein ein, was die Konsequenzen für Europa sein werden. Wären diese Politiker ehrlich, müssten sie sagen: „Wir wollen keine Zuwanderung, aber ohne Zuwanderung müssen wir leider das Pensionsalter auf 120 erhöhen, Verhütungsmittel verbieten und jede Frau und jedes Ehepaar, das nicht mindestens sechs Kinder in die Welt setzt, mit Strafsteuern belegen.“ Es ist nämlich so, dass Europa vergreist. Immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter stehen immer mehr Senioren gegenüber. Immer weniger Aktive müssen immer mehr Rentner und Arbeitsunfähige erhalten. Das kann man sich nicht wegwünschen und nicht wegsaufen, das ist ein Faktum. Die Rechten sagen immer, Europa dürfe nicht das „Sozialamt der Welt“ sein. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt: Wenn wir keine Leute mehr hereinlassen, Mauern hochziehen und uns vom Rest der Welt abschotten, werden wir die Sozialfälle der Welt werden.
Die einzigen europäische Länder, die im vorigen Jahr ein nennenswertes Wirtschaftswachstum hatten, waren übrigens Schweden, Deutschland und Österreich. Warum? Weil diese Länder viel mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als alle anderen europäischen Staaten. Mehr Menschen bringen mehr Konsum, mehr Nachfrage. Die müssen ja alle was essen, was trinken und Kleidung kaufen. Und danach einen Job suchen und was arbeiten. Besonders schlecht ging es der Wirtschaft dagegen in Ungarn, also genau jenem Land, das sich besonders strikt gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehrt. Der ungarische Durchschnittslohn fiel 2016 unter jenen von Griechenland, die Wirtschaft schrumpfte massiv zusammen, Pensionisten leiden an Unterernährung. Grob gesagt haben wir also folgende Wahl: Die Grenzen offen halten und Menschen zuwandern lassen oder uns abschotten und dabei verarmen.
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