Als Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern am Sonntag mit feuchten Augen vor die Presse trat, um zum Wahlkampf-Supergau seiner Partei Stellung zu nehmen, funktionierte sein Mikrophon so schlecht, dass es sogar zu einer heftigen Rückkopplung kam. Das war geradezu symbolisch für die ganze Wahl-Kampagne der Sozialdemokraten: Was schief gehen konnte, ging auch schief. Zwei Wochen vor der Wahl steht die SPÖ mit geplatzten Reifen und blinkenden Warnlichtern am Straßenrand, während die anderen Parteien grinsend vorbeifahren. Ein dramatischer Abstieg einer Partei, die noch vor einem Jahr davon ausgegangen war, sie werde es sich nach den nächsten Wahlen aussuchen können, wer unter Kern den Vizekanzler macht.
Statt die letzten zwei Wochen des Wahlkampfs dazu zu nützen, noch einmal ihre Themen unters Volk zu bringen, wird die SPÖ nun in jeder Fernsehdiskussion und jeder Pressekonferenz erklären müssen, wie und warum es passieren konnte, dass man hunderttausende Euro in ein Team von dubiosen Gestalten investierte, das Dirty Campaigning der schlimmsten Sorte betrieb und nicht einmal davor zurückschreckte, Sebastian Kurz, den politischen Hauptgegner der Roten, in gefakten Facebookgruppen mit antisemitischen Untertönen anzugreifen. Es wäre ein Wunder, würde Kern es jetzt noch schaffen, seine Wahlversprechen überhaupt noch ausreichend darzulegen.
Innerhalb der SPÖ machen gerade Verschwörungstheorien die Runde, wonach sich heimliche ÖVP-Unterstützer in die eigenen Reihen eingeschlichen hätten und von dort aus gezielt an der Diskreditierung der Partei gearbeitet hätten. Das könnte durchaus sein, wirft aber schon die nächste peinliche Frage auf: Wie schlecht hat die SPÖ-Spitze ihren Laden im Griff, wenn so etwas unter ihrer Nase passieren kann? Der bedauernswerte Christian Kern steckt in einer Doppelmühle fest. Man wird ihm jetzt abwechselnd Führungsschwäche oder Mitwisserschaft vorwerfen.
Dirty Campainging, also Wahlkampf mit schmutzigen Untergriffen, ist natürlich beileibe nichts, was nur die SPÖ betreiben würde. Nur legt die Öffentlichkeit an die Sozialdemokraten strengere Maßstäbe an, weil die SPÖ sich immer als moralisch besonders saubere Partei inszenierte. Auch FPÖ, ÖVP und noch weitere Parteien lassen Facebookseiten betreiben, die mit ganz harten Bandagen und oft auch Falschmeldungen und Unterstellungen arbeiten, aber einerseits machen sie das wesentlich geschickter, so dass sich keine direkten Spuren bis in die Parteizentralen verfolgen lassen, und andererseits überrascht das kaum jemanden, gerade bei der FPÖ nicht. Wenn aber eine Partei wie die SPÖ, die in den vergangenen Jahrzehnten immer rasch mit moralischer Empörung über andere zur Hand war, auch zu solchen Methoden greift, wirkt das wesentlich unstimmiger, ja geradezu fatal. Das ist das berühmte Wasser predigen und Wein saufen.
Dass es noch ein Wunder geben wird, das die SPÖ rettet, ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Und sie hat es sich selber zuzuschreiben. Statt einen geradlinigen Wahlkampf zu führen und dem „Ausländer raus“-Geschrei der Rechtsparteien mit einer klaren solidarischen Haltung entgegenzutreten, griff man lieber in den Schmutzkübel. Statt auf jene fähigen Leute zu hören, die es in der SPÖ durchaus gibt oder die mit der SPÖ wenigstens sympathisieren, ließ man sich von einem israelischen Blender einlullen, dessen Qualifikation vor allem darin bestand, in Israel und Osteuropa mit mäßigem Erfolg Politikerinnen beraten zu haben und der, wie sich später herausstellte, aber schon länger vermutet worden war, mutmaßlich in kriminelle Aktivitäten verstrickt ist. Die SPÖ hat bislang kaum eine Gelegenheit ausgelassen, Eigentore zu schießen. ÖVP und FPÖ können sich gemütlich zurücklehnen.
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