Die FPÖ sorgt derzeit für reichlich Verwirrung. Müssen Langzeitarbeitslose in Hinkunft Wohnung, Haus, Auto und so weiter verkaufen? FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger sagt „nein“. FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer sagt „ja“. FPÖ-Generalsekretärin Marlene Svazek sagt „nein“. Der Kärntner FPÖ-Landesparteiobmann Gernot Darmann sagt „nein“. Der FPÖ-Bundesparteiobmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagt „ja, aber“. Das erinnert an die berühmte Szene aus dem Louis de Funès-Film „Hasch mich, ich bin der Mörder“ mit folgendem Dialog: „Nein“, „doch“, „oh!“ Fix scheint nur, dass sich die ÖVP mit ihrer Forderung, die Notstandshilfe abzuschaffen, durchgesetzt hat. Ob die Arbeitslosen, die dann statt der Notstandshilfe die Mindestsicherung kriegen, zuvor enteignet werden, ist innerhalb der Bundesregierung immer noch umstritten. Mittlerweile verwenden Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Strache die Sprachregelung, man wolle nur diejenigen mit der Wegnahme ihrer Habseligkeiten bedrohen, die sich beim AMS „durchschummeln“ oder die „Millionäre“ seien.
Wer sich mit den österreichischen Sozial- und Arbeitsgesetzen ein bisschen auskennt, wird das Gerede von „Durchschummlern“ und „Millionären mit Notstandshilfe“ rasch als Ablenkungsmanöver durchschauen. Leute, die zumutbare Arbeit ablehnen, kriegen schon jetzt das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe gekürzt oder sogar völlig gestrichen. Und ob es in Österreich mehr als 50 Millionäre gibt, die für die paar Netsch die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, die der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe mit sich bringt, ist fraglich. Arbeitslosigkeit ist nämlich gar nicht so gemütlich, wie es ÖVP und FPÖ darstellen. Man muss andauernd zu Terminen beim AMS erscheinen, muss Bewerbungen nachweisen, wird in Kurse und Weiterbildungsmaßnahmen gesteckt und darf sich, obwohl es nur rund 70.000 offene Stellen für ca. 300.000 Arbeitslose gibt, anhören, man sei ein „Schmarotzer“.
Die Daten des AMS zeigen eine ganz andere Wirklichkeit. Mehr als ein Drittel der rund 170.000 Notstandshilfebezieher in Österreich sind über 50. Für Menschen über 50 wird es sehr schwierig, einen neuen Job zu finden. Jeder Dritte von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene leidet außerdem unter einer chronischen Krankheit oder Behinderung. Wer krank oder behindert ist, ist am Arbeitsmarkt faktisch erledigt. Kaum eine Firma will sich das Risiko antun, jemanden anzustellen, der vermutlich oft im Krankenstand sein wird oder der besondere und damit teure Bedürfnisse hat.
Die Regierung sagt, sie wolle vor allem jene treffen, die erst kurz in das Versicherungssystem eingezahlt haben. Die sollen weniger kriegen als jene, die länger eingezahlt haben. Das klingt zunächst gerecht, führt aber das Prinzip der Versicherung ad absurdum. Eine Versicherung, egal ob gegen Arbeitslosigkeit oder Hagel, muss vom ersten Tag an voll gelten, und zwar für alle Versicherten gleich. Warum? Weil auch jene, die erst kürzer versichert sind, nicht weniger Risiko haben als andere. Arbeitslosigkeit oder ein Hagelschaden fragen nicht vorher, wie lange der Betroffene eingezahlt hat. Sie können jeden treffen. Eine Versicherung, und zwar jede Versicherung, ist ein Solidarsystem. Das heißt, dass viele Menschen zusammen in einen Topf einzahlen, der dann die wenigen Pechvögel, denen es wirklich das Dach zerhagelt, entschädigt. Je mehr Menschen ich aus dem Solidarsystem ausschließe, desto weniger Geld ist im Topf und irgendwann muss dann jeder selber schauen, wo er bleibt, da die Versicherung pleite ist. Genau in diese Richtung geht die neue Regierung derzeit. Es ist keine besonders kluge und nachhaltige Politik.
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