Wer viel auf Facebook oder Twitter unterwegs ist, der kriegt den Eindruck, dass der Weltuntergang kurz bevorsteht. Lustvoll teilen die Leute dort eine schlechte Nachricht nach der anderen und bombardieren sich gegenseitig mit Pessimismus und Zorn. Und je nach politischer Gesinnung kriegt diese Flut an Negativ-Nachrichten rasch eine Schlagseite. Rechte posten nur Links zu Nachrichten und Blogs, wo die Angst vor Fremden, Muslimen, Homosexuellen, Feministinnen und teuflischen linken „Kulturmarxisten“ geschürt wird, und Linke malen das Schreckgespenst einer neuen Machtergreifung durch die Nazis an die Wand. Diese Polarisierung ist gefährlich. Wenn man in jedem Menschen, der eine andere Meinung hat, den Vertreter des absolut Bösen vermutet, ist es nicht mehr weit von der sprachlichen zur körperlichen Gewalt. Wir sollten alle einen Gang herunterschalten, tief durchatmen und zur Besinnung kommen. Wenn man von einem Orchester nur mehr die Instrumente ganz am rechten und linken Rand hört, macht das Konzert keinen Spaß mehr.
Zum Klima des Hasses und der Hetze tragen leider auch Kolleginnen und Kollegen von auflagenstarken Zeitungen bei. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch verständlich, denn je reißerischer die Überschrift, desto öfter wird ein Beitrag angeklickt und auf Facebook geteilt. Aber zählen wirklich nur mehr Auflage und Klickzahlen? Gibt es keine journalistische Verantwortung mehr? Wer zum Beispiel nur die „Krone“ liest, der kriegt den Eindruck, an jeder Ecke lauern ausländische Verbrecher und „Sozialschmarotzer“. Wer mit offenen Augen durchs Land geht weiß aber, dass das nicht stimmt. Die Medien erschaffen eine Gegenwirklichkeit, die mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat. Die Fakten sehen so aus: Österreich ist heute laut Kriminalstatistik sicherer als vor 20 Jahren und die meisten Menschen haben mehr Geld. In den Wohnzimmern stehen größere und bessere Fernseher und im Sommer posten die Leute auf Facebook tolle Fotos aus dem Urlaub, den sie in besseren Hotels als vor 20 Jahren verbringen. In den Krankenhäusern, in denen jeder behandelt wird, der es braucht, gibt es bessere Therapien und modernere Geräte als vor 20 Jahren. Fast alles ist besser und bequemer geworden. Trotzdem haben immer mehr Leute den Eindruck, alles würde schlechter werden. Dieser Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Empfindung kommt vom systematischen Schlechtmachen und Panik verbreiten, von dem viele Zeitungen und Politiker leben.
Österreich war jahrzehntelang eines der friedlichsten und freiesten Länder der Welt. Wir hatten kaum politisch motivierte Gewalt und blieben von Links- und Rechtsterrorismus weitgehend verschont. Das lag an der österreichischen Kultur des Dialogs und der Kompromisse. Es gab ein ausgeklügeltes System aus Interessenvertretungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Diese „Sozialpartnerschaft“ handelte in langen Gesprächen aus, dass der Wohlstandszuwachs halbwegs gerecht verteilt wurde und dass keine allzu radikalen Gesetze verabschiedet wurden. Das war langweilig und mühsam, aber erfolgreich. Seit einiger Zeit ist dieses System unter Beschuss geraten. Vor allem die FPÖ möchte lieber was anderes einführen, nämlich eine Art Volksabstimmungs-Republik. Das klingt zunächst gut, da es mehr direkte Demokratie verspricht. Aber wenn nicht mehr das Parlament und die Sozialpartner komplizierte Fragen verhandeln, sondern die Bevölkerung direkt darüber abstimmt, dann bekommen wir nicht nur einen Dauerwahlkampf, sondern auch das Ende der Kompromisse und damit die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit. Und das wäre weniger demokratisch als das, was wir jetzt haben. Das jetzige System der parlamentarischen Demokratie verhindert recht wirksam, dass 51 Prozent über 49 Prozent einfach drüberfahren. Wir haben verfassungsrechtlich garantierte Minderheitenrechte und die Opposition hat weitreichende Kontrollmöglichkeiten. Bei Volksabstimmungen fiele das alles weg. Außerdem: Wollen wir wirklich, dass der Zustand, den wir seit dem ersten Durchgang der Bundespräsidentschaftswahl haben, sich verewigt? Wollen wir den immer währenden Wahlkampf? Wer könnte es sich leisten, seine Standpunkte durchzubringen, wer kann einen ewigen Wahlkampf bezahlen? Der Normalbürger wohl eher nicht, der Milliardär und der Besitzer einer großen Zeitung aber sehr wohl. In einer Volksabstimmungs-Republik wird nicht das Volk regieren, sondern die Reichen und Superreichen.
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