Am nächsten Sonntag wählen wir, wer uns die nächsten fünf Jahre regieren wird. Das ist keine Abstimmung über den elegantesten Wahlkampf, die hübschesten Anzüge oder die besten Zähne der Kandidatinnen und Kandidaten, sondern über Parteien und ihre Programme. Die Boulevardzeitungen schreiben seit Wochen über nichts anderes mehr als über „Dirty Campainging“ und andere mehr oder weniger schmutzige Wahlkampftricks. Kaum jemand redet noch über Themen und Inhalte. Da drängt sich der Verdacht auf, einflussreiche Kreise wollen verhindern, dass wir über Sachen reden, die uns Normalbürger wirklich betreffen. Wie sich einige Parteien verhalten haben, ist natürlich skandalös, aber die Zukunft das Landes hängt nicht davon ab, ob die Wahlkämpfe der Parteien „sauber“ waren oder nicht, sondern von dem, was die Parteien mit dem Land vorhaben und ob es uns danach besser oder schlechter gehen wird. Diese Wahl ist zu wichtig, als dass wir den Luxus hätten, aus Wut oder Protest zu wählen.
Schauen wir uns zuerst einmal an, wie die Ausgangslage ist.
Geht man nach den Zahlen, schaut es in Österreich nicht schlecht aus. Österreichs Wirtschaft ist heuer um knapp drei Prozent gewachsen. Das höchste Wachstum seit der Finanzkrise von 2008. Laut einem weltweiten Vergleich des „Global Wealth Report“ liegt Österreich auf Platz 17 der reichsten Länder der Welt und damit einen Platz vor Deutschland. Eine weltweite Studie von Boston Consulting kommt zum Ergebnis, dass Österreich das Land mit der vierthöchsten Lebensqualität der Welt ist. Besser lebt es sich demnach nur in Norwegen, der Schweiz und den Niederlanden. Trotzdem scheinen alle unzufrieden zu sein und im Land herrscht eine riesige Sehnsucht nach „Veränderung“. Wie diese Veränderung genau ausschauen sollte, weiß zwar keiner so genau, aber es soll halt „anders“ werden, als es ist.
Wenn wir ein Problem haben, dann ist das die Verteilungsgerechtigkeit. In Österreich besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als 40 Prozent des gesamten Vermögens, so eine Studie der Arbeiterkammer. Die Privatvermögen der Österreicher sind insgesamt zwar so hoch wie noch nie in der Geschichte, aber sie sind ungleich verteilt. Mit diversen Kürzungen bei Sozialleistungen wie der Mindestsicherung hat sich dieses Ungleichgewicht sogar verstärkt. In Niederösterreich wurde gerade einer österreichischen Frau, die ihre Wohnung verloren hatte und in eine Noteinrichtung für obdachlose Frauen gezogen war, die Mindestsicherung auf 226 Euro zusammengestrichen. Die zynische Begründung der Behörden: Die Frau lebe jetzt in einer „Wohngemeinschaft“ und brauche daher weniger Geld zum Überleben. Warum das kaum jemanden aufregt, aber fast jeder den Asylbewerbern ihre 40 Euro Taschengeld neidet, ist ein Rätsel, über das sich noch unsere Enkel wundern werden. Vielleicht geht es ja darum, mit einem Sündenbock davon abzulenken, dass wir ein Gerechtigkeitsproblem haben? Dass in Österreich Arbeitnehmerinnen und Kleinunternehmer zu hohe Steuern zahlen und Superreiche und Konzerne zu niedrige? Dass die Bürokratie Eigeninitiative bestraft?
Bevor wir am kommenden Sonntag in die Wahlkabine gehen, sollten wir uns ganz genau überlegen, was wir wollen. Wollen wir mehr soziale Gerechtigkeit oder weniger? Wollen wir Optimismus und Aufbruchstimmung oder Pessimismus und Abschottung? Wollen wir Steuergeschenke für Milliardäre oder eine Steuerentlastung für Arbeiter und Unternehmer? Die Parteien haben alle entsprechende Programme. Lesen wir diese statt nur auf unseren Bauch zu hören!
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