Dienstag Morgen wurde Domenico Lucano, der Bürgermeister der kalabrischen Ortschaft Riace, verhaftet. Der Vorwurf der Behörden: „Beihilfe zur illegalen Migration“. Kaum etwas könnte den Rechtsrutsch in Europa besser illustrieren. Bis vor wenigen Monaten wurde Lucano weltweit gefeiert, weil er in seiner Gemeinde einen Gegenentwurf zur rassistischen Legende, Flüchtlinge und Migranten wären schlecht, vorgelebt hatte. Wie viele andere europäische Dörfer stand auch Riace kurz vor dem Aussterben. Die Jugend war weggezogen, die Alten starben langsam und so war der Ort auf nur mehr 800 Einwohner von zuvor über 3.000 geschrumpft. Häuser verfielen, die letzten Cafés machten dicht, Olivenhaine und Weinberge verwilderten. Dann beschloss Lucano um die Jahrtausendwende, Flüchtlinge aufzunehmen und in das Dorfleben zu integrieren. Binnen weniger Jahre wuchs der Ort auf über 2.000 Einwohner an und blühte auf. Bürgermeister Lucano brachte die Flüchtlinge in leerstehenden Häusern unter sowie in Gebäuden, die man von der Mafia beschlagnahmt hatte, und organisiert allerlei Kurse, mit denen die Neuzugänge nicht nur die Sprache erlernten, sondern auch berufliche Fähigkeiten. Die Gegend um Riace erholte sich daraufhin wirtschaftlich so gut, dass sogar Italiener wieder hinzogen, um Geschäfte zu eröffnen. Das amerikanische Magazin „Fortune“ wählte Lucana 2016 daher in eine Liste der 50 wichtigsten Menschen der Welt.
Jetzt sitzt der Vorzeige-Politiker im Gefängnis, denn die neue rechte Regierung Italiens greift hart durch und ahndet noch die kleinste Ordnungswidrigkeit - solange es dabei um Flüchtlinge oder Migranten geht. Menschen zu kriminalisieren, die Flüchtlingen helfen, ist ein Anliegen, das alle Rechtsparteien Europas teilen. Sie beschließen Gesetze, die Recht zu Unrecht machen und Unrecht zu Recht. Gerade werden die letzten privaten Seenotretter aus dem Mittelmeer vertrieben und deren Kapitäne vor Gericht gestellt für das „Verbrechen“, Menschen vor dem Ertrinken gerettet zu haben. So läuft jetzt der Hase. In Südtirol tauchten in den vergangenen Tagen Plakate der faschistischen Partei CasaPound auf, auf denen der Slogan stand „Südtirol säubern“. Wovon Südtirol „gesäubert“ werden soll, präzisieren die Neofaschisten so: „Man muss das Land von jenen säubern, die Städte und Täler mit Einwanderern bevölkert haben“. Gemeint sind hier vor allem die Politiker der SVP, der Partei der deutschsprachigen Südtiroler. Wo sie vom „Säubern“ reden und Menschen einsperren, die anderen Menschen helfen, ist der Weg in den Unrechtsstaat nicht nur beschritten, sondern fast schon ganz zurückgelegt.
Obwohl Europa Zuwanderung dringend braucht, falls es wirtschaftlich und sozial nicht absteigen will, haben nur wenige Politikerinnen und Politiker den Mut, das auch auszusprechen. Wo aber auf der Seite der Vernunft und der Menschlichkeit der Mut fehlt, werden die Unvernünftigen und Unmenschlichen stark.
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