In London gibt es seit ein paar Jahren einen neuen Trend: Milliardäre kaufen sich mehrere Stadthäuser, von denen ein jedes zwischen 40 und 300 Millionen Euro kostet, und lassen die Wände zwischen diesen Häusern einreißen, um „Superhäuser“ zu erschaffen. Während also Ölscheichs, Gas-Magnaten, Großaktionäre von Tech-Konzernen und andere Superreiche den Wohnraum in Londons Innenstadt verknappen, müssen immer mehr Menschen, die wenig oder durchschnittlich verdienen, in die Sozialbauten an der Peripherie ausweichen. Und während ein eigener kleiner Wirtschaftszweig entstanden ist, der die Superhäuser der Superreichen mit den edelsten Materialien und den feinsten Einrichtungen ausstattet, die sich kaufen lassen, wohnen die anderen in heruntergekommenen Plattenbauten, bei denen die Eigentümer sogar am Brandschutz sparen. Als vorige Woche in der britischen Hauptstadt einer dieser Sozialbauten, der Grenfell Tower, abbrannte und dabei mindestens 58 Menschen in den Tod riss, stellte sich rasch heraus, dass die Außenisolierung aus hoch brennbarem Material bestanden hatte. Eine feuerfeste Fassadenverkleidung hätte 5.000 Pfund mehr gekostet. In dem Haus wohnten rund 600 Menschen. Pro Einwohner sparten sich die Hauseigentümer demnach 8,3 Pfund. 8,3 Pfund Profit, der mindestens 58 Menschen das Leben kostete. Laut Berichten der Überlebenden haben nicht einmal die Brandmelder funktioniert.
Die Brandkatastophe in London zeigt uns, wie rasch wir in ein neues Zeitalter des Feudalismus einzutreten drohen. Feudalismus ist, wenn ganz wenigen ganz viel gehört und ganz vielen ganz wenig. Die baulichen Denkmäler des historischen Feudalismus stehen überall um uns herum. All diese Burgen und Schlösser und Kathedralen - sie konnten nur gebaut werden, weil 90 Prozent der Bevölkerung in bitterster Armut lebten und aller Reichtum sich bei ein paar Adeligen und Kirchenfürsten konzentrierte. Während die große Mehrheit der Menschen in Lehmhütten hauste, bauten sich die hohen Herren ihre Prachtbauten. In der Kirche predigte derweil der Pfarrer von der gottgewollten Ordnung auf Erden und vom Paradies, das auf die Armen im Jenseits warten würde. Die Verteilung des Reichtums auf dieser Welt ist fast schon wieder so ungerecht wie im Mittelalter. Die 500 reichsten Leute der Erde besitzen mehr als die ganze restliche Menschheit zusammen.
Wie einst vor Jahrhunderten errichten auch die neuen Feudalherren, von denen einer sogar US-Präsident wurde, ihre monumentalen Protzbauten, in deren obersten Stockwerken sie dann zwischen vergoldetem Marmor und antiken Möbeln residieren. Die Durchschnittsbevölkerung verliert derweil an Einkommen und Kaufkraft und versucht verzweifelt, diese große Umverteilung von unten nach oben irgendwie zu überleben. Nun ist Reichtum, auch sehr großer Reichtum, kein Verbrechen, aber wenn die Staaten und mit ihnen die Politik der Bereicherung keine Grenzen setzen, indem sie zum Beispiel ab einem Vermögen von einer Milliarde Euro ordentlich die Steuerzange ansetzen, droht uns wirklich der Rückfall in finstere Zeiten, denn eine feudale Gesellschaft ist auch eine Gesellschaft des Stillstands. Und oft genug auch eine des Krieges.
Zum Schluss noch zu etwas ganz anderem, das aber vielleicht gar nicht so schlecht hierher passt: In Portugal sind bei den schlimmsten Waldbränden seit Jahrzehnten gerade dutzende Menschen gestorben. Wie bereits in Australien und Chile im Vorjahr wüteten auch die Brände in Portugal deswegen so heftig, weil das Land extrem trocken und heiß ist, trockener und heißer als seit Jahrhunderten. Das liegt am Klimawandel, den der oberste neue Feudalherr Donald Trump nicht wahr haben will. Er ist aber real und er tötet immer öfter immer mehr Menschen. Und er wird ganze Weltregionen unbewohnbar machen. Auch hier verhindern die neofeudalen Herrschaftsverhältnisse entschiedene Gegenmaßnahmen. Warum? Weil sich alles nur mehr darum dreht, die Vermögen der Superreichen noch größer zu machen. Dem hat sich alles unterzuordnen, und seien es auch die Lebensgrundlagen von Milliarden. Wer aber genau hinhört, kann im Knistern und Knacken und Heulen der Feuersbrünste von London und Portugal einen Schrei hören, der langsam aber unaufhaltsam lauter wird. Es ist der Schrei nach Gerechtigkeit, und wenn die Herrschenden sich die Ohren zuhalten statt darauf zu reagieren, wird daraus das Gebrüll der Revolution werden.
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