Die Mikrophone und Kameras für die erste gemeinsame Pressekonferenz von SPÖ und ÖVP als Koalitionspartner waren bereits aufgestellt, da ließ der Kärntner ÖVP-Chef Christian Benger eine politische Bombe platzen und verlautbarte, sich aus der Landesregierung zurückzuziehen. Ein Affront gegen die SPÖ und Landeshauptmann Peter Kaiser, der in den Verhandlungen mit der ÖVP darauf vertraut hatte, dass Benger ÖVP-Chef bleibt. Die SPÖ sagte umgehend alle weiteren Termine mit der ÖVP ab und stellt Neuverhandlungen mit allen Parteien in den Raum. Die rot-schwarze Koalition am Wörthersee könnte schon Geschichte sein, bevor sie zur ersten Sitzung zusammentrat. Ein unschönes Schauspiel das die Frage aufwirft, ob die ÖVP noch demokratiefähig ist oder nur mehr nach der Maxime handelt: „Gut ist, was der SPÖ schadet, selbst wenn wir dabei alle Grundsätze verraten müssen und die Bevölkerung das Vertrauen in die Politik verliert“.
Bengers Sessel wackelte, seit die Kärntner Wählerinnen und Wähler den Plan von Bundeskanzler Sebastian Kurz, auch in den Bundesländern durchzumarschieren, durchkreuzten. Noch im März hatte Benger behauptet, er werde „der erste Mann“ in der Kärntner ÖVP bleiben und fünf Jahre lang der SPÖ-ÖVP-Regierung angehören. Die SPÖ hatte in den Koalitionsverhandlungen größten Wert darauf gelegt, „dass jene, mit denen wir verhandeln, auch jene sind, mit denen wir regieren“ (Peter Kaiser). Was ja logisch ist, denn wie sonst sollte in einer Koalition Vertrauen herrschen? Bengers Rücktritt stellt nun all diese Verhandlungen in Frage, da die SPÖ nicht sicher sein kann, dass Bengers Nachfolger sich an die Vereinbarungen halten werden, die mit Benger getroffen wurden.
Über Bengers Motive wird heftig spekuliert. Die SPÖ munkelt von „massivem Druck aus Wien“, der auf Benger ausgeübt worden sei, um die Kärntner Koalition platzen zu lassen. Die FPÖ kommentiert höhnisch, die Koalition habe schon „den ersten Elchtest nicht bestanden“. Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer richtete der ÖVP aus, sie habe Koaltionsbedingungen mit „vollster Brutalität“ gebrochen. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sagte im ORF, die ÖVP habe die SPÖ „hinters Licht geführt“. Klar scheint, dass der Bundes-ÖVP unter Sebastian Kurz nichts an einer erfolgreichen rot-schwarzen Koaliton in Kärnten gelegen sein dürfte. Kurz hat sich mit Haut und Haaren der Zusammenarbeit mit der FPÖ und dem Umbau Österreichs in ein Land, in dem Sozialdemokraten nichts mehr zu sagen haben, verschrieben.
Welche Möglichkeiten hat Peter Kaiser jetzt? Er könnte darauf hoffen, dass Bengers Nachfolger die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen respektiert. Eine unsichere Wette, hat die ÖVP doch gerade demonstriert, dass man sich auf sie eben nicht verlassen kann. Er könnte aber die ÖVP auch ganz ins Eck stellen und mit den Freiheitlichen koalieren. Hier stellt sich aber die Frage, ob Wien, wo man offenbar direkt auf die Kärntner ÖVP und die Kärntner FPÖ durchgreifen kann, das zulässt. Neben einer Koalition mit dem Team Kärnten könnte Kaiser aber auch was Neues probieren und auf das freie Spiel der Kräfte setzen. Gegen die SPÖ ist nämlich im Landtag keine Mehrheit möglich. Kaiser könnte also alleine regieren und den anderen Parteien damit drohen, sie als Verhinderer und Blockierer hinzustellen, wenn sie nicht konstruktiv mitarbeiten.