Da jetzt jeden Tag ein neuer Promi der sexuellen Belästigung oder gar Vergewaltigung bezichtigt wird, müssen wir mal ein paar wichtige Punkte klarstellen: Eine Belästigung ist keine Vergewaltigung, ein Vorwurf ist keine Tatsache und ein „Nein“ ist ein „Nein“. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht mehr. Einerseits haben viele Männer immer noch nicht begriffen, dass man Frauen nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung betatschen oder mit schlüpfrigen Bemerkungen eindecken darf. Andererseits scheint die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt worden zu sein und allein der Vorwurf, jemand habe, oft schon vor Jahrzehnten, einen anderen Menschen belästigt, reicht aus, um Schauspieler-Karrieren zu beenden und Politiker in den Rücktritt zu treiben. Ein aktuelles Beispiel: Der amerikanische Komiker Louis C.K. wurde von mehreren Frauen beschuldigt, sich vor ihnen entblößt und dann an sich herumgespielt zu haben. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Netflix sagte ein geplantes Comedy-Special ab, mehrere Fernsehsender beendeten ihre Zusammenarbeit mit dem Comedian und ein fertig gedrehter Spielfilm mit ihm verschwindet im Giftschrank. Dabei hat er, anders als viele andere, sofort zugegeben, dass die Vorwürfe stimmen. Er halte das mittlerweile für „unverzeihlich“, so Louis C.K. In einer Stellungnahme. Das Problem dabei: Er hatte die Frauen zuvor ausdrücklich um deren Erlaubnis gefragt und die hatten „ja“ gesagt. Wenn aber viele Jahre später aus dem „Ja“ rückwirkend ein „Nein“ wird, bricht dann nicht der Boden ein, auf dem Männer und Frauen miteinander tanzen?
So einfach ist die Sache nicht. Viele Frauen trauen sich gar nicht, „nein“ zu sagen, wenn sie es mit einem berühmten, reichen und/oder mächtigen Mann zu tun haben. Wenn dieser Mann darüber entscheiden kann, ob man morgen noch einen Job hat, ist ein „Nein“ nämlich nicht so einfach, wie manche denken. Und hier kommen wir dem eigentlichen Problem näher. Das besteht nicht darin, dass Männer halt Schweine wären. Die Machtverhältnisse sind es, mit denen Sexismus steht oder fällt. Solange Frauen in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert sind, wird es auch strukturelle Benachteiligung und sexuelle Übergriffe geben, da manche Männer ihre stärkere Position ausnützen. Die derzeitige #metoo-Kampagne ist extrem wichtig, weil sie die Ausmaße des Problems aufzeigt, aber nur mit moralischer Entrüstung werden wir die Verhältnisse nicht nachhaltig ändern können. Wer wirklich will, dass die täglichen Belästigungen und Übergriffe aufhören, muss für eine Gesellschaft eintreten, in der die Hälfte der Bevölkerung auch die Hälfte der Macht hat. Das heißt konkret: Es braucht überall eine 50:50-Quote. Ob in Politik, Justiz, Polizei, Wirtschaft – Frauen sollten überall zu mindestens 50 Prozent vertreten sein. Erst dann wird Schluss sein mit der systematischen Benachteiligung von Frauen, erst dann werden Frauen so viel Selbstsicherheit und Unabhängigkeit haben, dass sie im Falle eines Annäherungsversuches nicht erst überlegen müssen, ob ein „Nein“ ihnen schaden könnte.
Das wäre auch für Männer ein Fortschritt. Denn Männer sind nicht allzu gut darin, subtile Zeichen zu deuten und zwischen den Zeilen zu lesen. Nur wenn Männer sicher sein können, dass „ja“ auch wirklich „ja“ heißt, kriegen sie die Sicherheit, die nicht nur Frauen, sondern auch Männer verdienen.
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