Die älteste Forderung der Arbeiterbewegung ist plötzlich wieder aktuell
„Acht Stunden für die Arbeit, acht Stunden zum Schlafen und acht Stunden für Freizeit und Erholung“ - das ist die älteste Forderung der Arbeiterbewegung, und die wurde ursprünglich gar nicht von Gewerkschaftern erhoben, sondern vom britischen Unternehmer Robert Owen. In den 1820er Jahren besaß Owen mehrere Fabriken in England und sah, wie dort Arbeiter, darunter auch Kinder, bis zu 16 Stunden täglich schufteten. Owen hielt das für falsch, aus moralischen Gründen und weil er außerdem ganz richtig vermutete, ausgeruhte und fair behandelte Menschen wären bessere Mitarbeiter. Owen tat sich mit der gerade entstehenden Gewerkschaft zusammen und gründete die weltweit erste Bewegung für den Acht-Stunden-Tag. Die britische Regierung zerschlug die Bewegung, aber die Idee war in der Welt und wurde rund um die Welt von Gewerkschaften und Parteien aufgegriffen. Nach harten Kämpfen wurde der Acht-Stunden-Tag 1918 in Österreich und Deutschland gesetzlich verankert.
Owen würde sich sehr wundern wenn er wüsste, dass fast 200 Jahre nach seiner Zeit in Wien 120.000 Menschen auf die Straße gehen mussten, um gegen die Einführung des 12-Stunden-Tages zu demonstrieren. Was ein 12-Stunden-Tag bedeutet, wird klar, wenn man die zulässige Zeit für den Weg zum und vom Arbeitsplatz dazurechnet. Dann kommt man im Extremfall auf 15 Stunden, die übrigens nach den Plänen der Regierung sogar auf 17 Stunden ausgeweitet werden sollen, da die zumutbare Zeit für Anreise und Heimfahrt auf jeweils zwei Stunden erweitert werden soll. 15 bzw bald 17 Stunden jeden Tag für die Arbeit? Da bleibt dann keine Zeit mehr für ein Familienleben, keine Zeit für Hobbys und Freunde, keine Zeit zum Einkaufen, ja nicht einmal genug Zeit für einen erholsamen Schlaf.
Die Befürworter des 12-Stunden.-Tages argumentieren, dass die Wirtschaft flexibler geworden sei und man daher auch Arbeitszeiten brauche, die sich daran anpassen. Arbeitnehmer sollen also je nach Auftragslage des Betriebes mal kürzer, mal länger arbeiten. Daran ist grundsätzlich nicht viel auszusetzen, aber 12-Stunden-Tage sollten die Ausnahme sein und nicht die Regel, denn wenn sie zur Regel werden, werden sich die Arbeitgeber damit ins eigene Fleisch schneiden. Niemand kann über einen längeren Zeitraum hinweg jeden Tag 12 Stunden lang konzentriert arbeiten. Es wird mehr Arbeitsunfälle geben, mehr Krankenstände, mehr Ausschussware und mehr Mitarbeiter, die „Dienst nach Vorschrift“ machen, sich also nicht mehr mit dem Betrieb identifizieren und ihren Frust an den Kunden auslassen.
Es ist längst wissenschaftlich erforscht, dass kürzere Arbeitszeiten zu besseren Leistungen der Mitarbeiter führen. Eigentlich bräuchte es dazu nicht einmal Forschungen, denn das sagt ja schon der Hausverstand. Der Mensch ist eben kein Roboter, dem man einfach einprogrammieren kann, wie lange er zu hackeln hat. Der Mensch ist ein Mensch und als solcher braucht er Erholung, Freizeit, Familie, kurz: Er will menschlich behandelt werden, weil er menschlich ist.
Die österreichische Regierung handelt extrem kurzsichtig. Sicher, auf kurze Sicht werden längere Arbeitszeiten die Profite der Unternehmen steigern, aber auf mittlere und längere Sicht könnte das ein Schuss ins eigene Knie sein, denn Arbeitnehmer, die zu kaputt sind, um die schönen Produkte und Dienstleistungen, die sie an längeren Arbeitstagen herstellen und anbieten, auch in Anspruch zu nehmen, werden die Nachfrage einbrechen lassen. Und die technologische Revolution, die gerade im Gange ist und die unzählige menschliche Arbeitskräfte durch Maschinen und Software ersetzen wird, wird uns sehr bald vor die Frage stellen, was wir mit all denen machen sollen, deren Arbeitskraft in Zukunft nicht mehr gefragt sein wird. Man kann nicht jeden Fleischverpacker und Lastwagenfahrer zum Altenpfleger oder Softwareingenieur umschulen. Statt die Arbeitszeit zu erhöhen, werden wir schon bald ganz massiv in die andere Richtung gehen müssen, nämlich hin zu einer starken Verkürzung der Arbeitszeit und zu Formen eines Grundeinkommens.
Kontakt:redaktion@mein-klagenfurt.at