Von Bernhard Torsch, 1.11.2016
Mein Klagenfurt: Du hast vor kurzem auf Facebook von einem unerfreulichen Zwischenfall in Klagenfurt berichtet. Was genau ist passiert?
Michael Puschacher: Meine Gattin ging gerade zu ihrem Auto, als plötzlich eine Frau auf sie zukam und sie beschuldigte, falsch geparkt zu haben. Sie bemerkte den Akzent meiner Frau und nannte sie eine „ausländische Schlam**“ die „dorthin zurückgehen soll, wo sie hergekommen ist“.
Mein Klagenfurt: Unfassbar. Ist so was schon öfter passiert?
Michael Puschacher: Früher nie. Es hat sich niemand daran gestoßen, dass meine Gattin aus Brasilien stammt. Aber seit diesem verlängerten Präsidentschaftswahlkampf gab es gleich mehrere ähnliche Vorfälle. Es ist erschreckend. Man hat den Eindruck, dass die Leute sich jetzt Sachen zu sagen trauen, für die sich vorher geschämt hätten. Es findet eine unglaubliche Radikalisierung statt.
Mein Klagenfurt: War deine Frau gekränkt?
Michael Puschacher: Die ist zum Glück sehr selbstbewusst und hat der Schimpferin sogar ein Küsschen zugeworfen. Aber mich ärgert so was schon. Mich hat es schon als Jugendlicher gestört, wenn Menschen Vorurteile haben und Pauschalurteile fällen. Schön war aber, dass nach der Beschimpfung ein Passant dazu gekommen ist und sich für das Verhalten der Frau entschuldigt hat, obwohl er ja gar nichts dafür konnte.
Mein Klagenfurt: Wen wirst Du wählen? Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen?
Michael Puschacher: Ich wähle Van der Bellen. Ich habe in meinem Leben schon fast jede Partei gewählt, aber noch nie die FPÖ. In meiner Zeit beim KAC habe ich mich von der Tagespolitik ferngehalten, aber ich stand Jörg Haider eher kritisch gegenüber. Und ich war nicht der Einzige. Ich erinnere mich noch, wie ein Teamkollege in Bezug auf die FPÖ gesagt hat: „Eine Partei, in der nur einer sagt, wo es lang geht, ist nicht demokratisch“.
Mein Klagenfurt: Lassen wir kurz die Politik und die Ausländerfeinde beiseite. Was ist deine schönste und was ist deine schlechteste Erinnerung an deine Zeit als Profisportler?
Michael Puschacher: Am schönsten war das WM-Viertelfinale 1994 in Bozen. Ich spielte viel besser, als ich es je erwartet hätte, und die ganze Mannschaft war super drauf. Am traurigsten war es, als man mir wegen einer Verletzung den Vertrag kündigte. Nach dem letzten Spiel ging ich in die Kabine, aber dort war kein einziger Mensch, um mich zu verabschieden. Ich ging allein hinaus in die Nacht und das war´s. Damals war das sehr bitter, aber rückblickend sage ich: Gott sei Dank! Ich habe danach mein Studium beendet, eine Karriere in der Wirtschaft begonnen und viele tolle neue Leute kennengelernt. Wenn ich heute an den KAC denke, ist das jedenfalls kein Blick zurück im Zorn.
Mein Klagenfurt: Was machst du derzeit?
Michael Puschacher: Ich bin Division Manager bei Fischer Sports.
Mein Klagenfurt: Was denkst du als Manager vom Öxit, also einem Austritt Österreichs aus der EU?
Michael Puschacher: Das wäre ein Wahnsinn! Österreich ist von der Einwohnerzahl und der Wirtschaftsleistung her vergleichbar mit einer mittelgroßen chinesischen Stadt. Wir wären allein auf uns gestellt auf dem Weltmarkt verloren. Die Wirtschaft ist extrem internationalisiert und alles ist miteinander verwoben. Insgesamt hat Österreich von der EU und der Osterweiterung massiv profitiert. Jetzt wieder in Europa Zölle einzuführen und den Euro abzuschaffen, würde zehntausende Jobs kosten. Ich halte es für brandgefährlich, dass die FPÖ mit EU-Ausstiegsgedanken spielt.
Mein Klagenfurt: Womit wir wieder bei der Politik wären. Du magst die Freiheitlichen nicht allzu sehr, oder?
Michael Puschacher: Ich halte diese ständige Negativ-Propaganda der FPÖ für falsch. Immer suchen die Freiheitlichen neue Sündenböcke. Die FPÖ schürt Ängste und hetzt die Menschen gegeneinander auf statt Lösungen zu suchen. Einige Leute, die heute fest mit der FPÖ mitschreien, werden sich noch wundern, wie schnell sie selber von der Strache-Partei ins Visier genommen werden. Nehmen wir zum Beispiel das Soziale. Ich bin ein großer Verfechter des Sozialstaates, weil es gerecht und vernünftig ist, dass die Wohlhabenderen den weniger Glücklichen helfen, und weil man selber viel schneller auf Sozialleistungen angewiesen sein kann, als man meint. Wer heute gegen „Sozialschmarotzer“ agitiert, wie es die FPÖ tut, kann schon morgen selber zu dieser Gruppe gehören. Das sind aber keine Schmarotzer, das sind Menschen.
Mein Klagenfurt: Du hast eine sehr klare politische Haltung. Woher kommt das?
Michael Puschacher: Ich war schon immer gegen Ungerechtigkeit, gegen Rassismus und andere Formen gruppenbezogenen Hasses. 1997 war ich mit der Nationalmannschaft bei der Eishockey-WM in Polen. Da haben wir auch das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Nur soviel: Ich war lange mit Sportmannschaften unterwegs. Sportler sind keine Mimosen, die halten was aus und machen noch über die schlimmsten Sachen Witze. Aber nachdem wir in Auschwitz waren, war es im Bus eine Stunde lang still. Da war niemandem zum Lachen zumute, da waren die größten Witzbolde schmähstad. Etwas wie Auschwitz darf nie wieder passieren. Auschwitz stand am Ende einer Entwicklung, die gar nicht so anders war als die heutige. Man hat gegen Minderheiten gehetzt, man hat ganze Gruppen verteufelt, man war ganz besessen von der eigenen Nation und ein paar Jahre später brannten die Öfen der Vernichtungslager und es gab einen Weltkrieg. Ich will mir nicht vorstellen, dass irgendjemand dieses Grauen wiederholen möchte.
Michael Puschacher, geboren 1968, war von 1986 bis 2000 Tormann beim KAC. Nach der Sportlaufbahn startete er eine erfolgreiche Karriere in der Privatwirtschaft.