Sie ist eine Legende: Kein Tag verging in Klagenfurt, ohne dass man auf die 1-Euro-Frau traf, die eigentlich Frau W. heißt. Den Namen hat ihr die Frage beschert, die sie täglich stellte. Oft traf man sie in der Fußgängerzone und wurde von ihr ganz selbstbewusst nach einem Euro gefragt. Manch einer geht sogar soweit, zu sagen, dass man nur dann wirklich aus Klagenfurt käme, wenn man einmal am Tag von der Frau nach einem Euro gefragt wurde. Bis heute ist die Frau bekannt, und zwar nicht nur in Klagenfurt.
Mittlerweile ist es aber still geworden um die Dame mit dem Spitznamen 1-Euro-Frau. Fans waren lange Zeit besorgt, wohin die Frau denn verschwunden sei. Wir haben uns angesehen, wie die ältere Dame ihren Kultstatus erlangte und was sie heute macht.
1-Euro-Frau kann mehrere Sprachen
Den Satz „Haben Sie vielleicht mal einen Euro für mich?“ sagte Frau Wutte täglich. Aus dem „Haben Sie“ wurde natürlich ein „Hom’s“, aus „einen Euro für mich“ ein „an Euro fia mi“. Mit der Zeit wurde aber deutlich, dass Frau W. durchaus wirtschaftlich dachte. Sie war sich ihres Legendenstatus’ bewusst, konnte aber noch mehr, als nur kärntnerisch sprechen. Zwar hatte sie zugegebenermaßen einen starken Akzent, doch auch vor englisch, italienisch und französisch schreckte sie nicht zurück. Immerhin ist Klagenfurt am Wörthersee eine Tourismus-Stadt. Wer wirtschaftlich denkt, hat da natürlich mehrere Sprachen im Repertoire und ist stets darauf bedacht, das Geschäftsfeld zu erweitern. Viele machten sich Gedanken daüber, wie viel Geld sie am Tag wirklich verdiente.
Die Gerüchteküche brodelte noch immer, obwohl Frau W. mittlerweile nicht mehr auf der Straße zu sehen war. Manche fragen sich, ob sie vielleicht längst reich geworden war und gutes Geld anhäufen konnte. Dadurch, dass sie verschwunden war, wurde sie nur noch mehr zur Legende. Ganz Klagenfurt fragte sich: Wo ist die 1-Euro-Frau hin?
Frau W. geht es gut
Als die Frau plötzlich aus der Fußgängerzone verschwand, machten sich die Bewohner Klagenfurts zurecht Sorgen um ihre Kultfigur. Auch weil ein Bettelverbot aufkam. Man fragte sich, ob es ihr gesundheitlich schlechter gehe oder ihr gar schlimmeres zugestoßen sei.
So kursierten eine Zeit lang Gerüchte um das Verschwinden der 1-Euro-Frau. Schließlich gab es aber Entwarnung: Ein Anwalt und Politiker der FPÖ gab bekannt, dass es ihr gutginge. Frau W. sei aber auf Betreuung angewiesen und lebe deshalb in einem Wohnheim. Da konnten die Fans der älteren Dame erleichtert aufatmen. Ihren Ruhestand hat sie sich natürlich redlich verdient. Ob sie sich durch ihre Fragerei vielleicht ein besonders schönes Wohnheim aussuchen konnte, darüber kann man aber nur spekulieren.
Bevor bekannt geworden war, wo Frau W. heutzutage lebt, gab es außerdem nicht nur die Menschen, die sich um die Frau sorgten: Ebenfalls angeheizt wurde die Gerüchteküche durch Annahmen, die sich auf ihren eventuellen Wohlstand bezogen. Manch einer ging längst davon aus, dass die Dame ein Vermögen hatte anhäufen können. Vielleicht sitze sie nun in ihrer Finca auf Mallorca oder habe sich ihren Lebensabend in Südfrankreich organisiert – so zum Beispiel einige der Überlegungen, die es so gab. Gönnen würde man ihr den Dauerurlaub natürlich, denn die Frau in der Fußgängerzone fand einfach jeder witzig. Wer außerdem so viel Mut aufbringt, täglich nach Unterstützung zu fragen, hat ein wenig Ruhe auf jeden Fall verdient.
Was kann man mit einem Euro machen?
Ob die 1-Euro-Frau wirklich den ein oder anderen Urlaub machte, weiß man nicht genau. Frau W. hat aber sicherlich nicht nur einen Euro am Tag verdient. Sie stand viele Stunden in der Fußgängerzone Klagenfurts und hatte keine Scheu, die Menschen anzusprechen. Aber selbst mit nur einem Euro pro Tag, den es zusätzlich bar und steuerfrei auf die Hand gibt, könnte man aufs Jahr gerechnet so einiges machen. Das wären immerhin 365 Euro, die man zur freien Verfügung extra hat. Was Frau W. wirklich mit ihrem Geld gemacht hat, wissen wir nicht.
Mit einem Euro pro Tag lassen sich günstige Lebensmittel kaufen – oder wer etwas länger spart, kann auf größere Anschaffungen hinfiebern. Ein Urlaub wäre da auf jeden Fall drin. Nehmen wir außerdem an, dass die 1-Euro-Frau pro Tag nicht nur einen Euro, sondern viele Euro angesammelt hat, dann dürfte es ihr finanziell tatsächlich ziemlich gut gehen. Neben vielen sinnvollen Dingen, die man mit dem zusätzlichen Geld machen kann, gibt es natürlich auch noch allerhand Spielereien. Der Euro könnte auch in einem Spielautomaten versenkt werden. Wer mehr Geld zur Verfügung hat, kann online sogar ohne 1€ Limit spielen und die Gewinnchancen steigern. Ob Frau W. ein Faible für Glücksspiele hatte, ist aber anzuzweifeln.
Ein Euro klingt auf den ersten Blick also nach nicht viel. Die 1-Euro-Frau hat ihr Geschäft aber gut im Griff gehabt und über viele Jahre hinweg Geld ansammeln können. Dazu gehört viel Mut, denn nicht jeder traut sich, einfach so in der Fußgängerzone nach Geld zu fragen. Darüber hinaus schaffte sie es mit ihrer authentischen Art, zur Kultfigur der Stadt zu werden. Auch das schafft gewiss nicht jeder so leicht. Frau W. ist eine interessante Frau, die selbstbewusst und lustig daherkam und sich jeden Tag aufs Neue darüber freuen konnte, dass Menschen ihr Geld schenkten. Obdachlos war die 1-Euro-Frau übrigens nicht gewesen, als sie begann, die Fußgängerzone zu erobern. Es ist aber davon auszugehen, dass sich ihr Vermögen in all den Jahren auch nicht verringert hat. Sie ist und bleibt eine Ikone, die nun ihren Ruhestand genießen kann. Wir wünschen ihr weiterhin alles Gute und sollte Sie plötzlich wieder in der Fußgängerzone auftauchen, ist gewiss, dass da viele Menschen sind, die ihr gern wieder einen Euro in die Hand drücken.
Foto: Mein Klagenfurt/Archiv