Das Projekt „Yes We Do – FAIR PLAY“ bietet im September (26. 9) und Oktober (5., 19., 20.10.) kostenlose Fortbildungen für die Führungskräfte und Mitarbeiter*innen zum Thema Umgang mit sexuellen Übergriffen an.
Anzügliche Kommentare, intime Fragen, unerwünschte Einladungen und Fotos bzw. Videos, grabschende Hände... Das kennen vor allem weibliche* Lehrlinge, (Ferial)Praktikantinnen* und Berufsanfängerinnen* aus eigener Erfahrung und Beobachtung - sowohl bei der Arbeit als auch in anderen Bereichen, in denen sie sich in ihrem Alltag on- und offline bewegen. Passiert es am Arbeitsplatz, kündigen sie häufig, wenn sie im Betrieb nicht ausreichend geschützt werden. Manche wechseln auch die Branche bzw. den Beruf, was den aktuellen Fachkräftemangel zusätzlich verschärft.
Die Initiative Yes We Do – FAIR PLAY: Dienstleistung ohne Über- und Untergriffe von EqualiZ-Gemeinsam vielfältig (ehemals Mädchenzentrum Klagenfurt) unterstützt von September bis Oktober 2022 Tourismusbetriebe in ganz Kärnten mit einem von Bundeskanzleramt, Abt. Frauenprojektförderung finanzierten Weiterbildungs-Paket für Unternehmer*innen, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Ziel ist die gemeinsame Förderung eines Betriebsklimas, in dem sich ALLE - Unternehmenszugehörige und Gäste - wohl und sicher fühlen können. Die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Kärnten mit Geschäftsführer Wolfgang Kuttnig, MAS, Helmuth Micheler, Geschäftsführer vom Tourismusverband Klagenfurt am Wörthersee sowie die Wörthersee-Tourismus-GmbH unterstützen die Initiative als strategische Partner. „Die Bedürfnisse und Anforderungen der Tourismusmitarbeiter rücken in Zeiten des Fachkräftemangels unmittelbar in den Fokus. Die betriebliche Genderkompetenz und die Mitarbeiterwertschätzung ist zukünftig für ein gutes Arbeitsklima unabdingbar,“ äußert sich Wolfgang Kuttnig, MAS.
„Die drei haben die ganze Zeit über meine Figur geredet und mich eingeladen, mich danach mit ihnen zu treffen. Mehrmals hab´ ich sie gebeten mich in Ruhe zu lassen. (…) Als ich am Nebentisch abkassierte, hat einer der Jungs mir mit beiden Händen auf den Po gegriffen“, berichtet eine junge Kärntnerin* auf der anonymen digitalen Pinnwand des Projekts Yes We Do – Fair Play. Eine Andere erzählt: „Meine Freundin und ich wurden wiederholt in einem Lokal in Villach im Gedränge an intimen Körperstellen ungewollt berührt.“ Der Arbeitsplatz, aber auch der beliebte Freizeitaufenthalt in der Gastronomie werden so zu Orten, wo Frauen* sich (potentiell) schützen müssen anstatt sicher und respektiert arbeiten bzw. sich in der Freizeit entspannen zu können. Hinzu kommt die Erfahrung, dass ihre Berichte im Umfeld oft nicht geglaubt, verharmlost oder ihnen als Betroffenen* anstelle des Täters* die Verantwortung für den Übergriff zugeschrieben wird (zu aufreizend gekleidet, nachts allein unterwegs, …). Alkohol und männliche* Rollenbilder werden in diesem Kontext oft als Erklärung und Entschuldigung für das Fehlverhalten des Täters* herangezogen. An solidarische Unterstützung für die bedrängten Frauen* sowie klare Grenzen und Konsequenzen gegenüber Tätern* wird nicht weiter gedacht. Diese in vielen Lebensbereichen verbreitete „Alltagsnormalität“ trägt nicht zuletzt dazu bei, dass die „Spitze des Eisbergs der Gewalt an Mädchen* und Frauen*“ – Vergewaltigungen, Missbrauch, schwere Partner*gewalt bis hin zum Mord – trotz guter Rechtslage sowie Gewaltschutz- und Gewaltpräventionsinitiativen in Österreich nicht kleiner wird.
Größere Gastronomie- und Hotelbetriebe mit eigener Abteilung für Personalentwicklung beschäftigen sich seit ca. zehn Jahren mit Gender & Diversity-Themen und damit auch mit Übergriffen auf und Belästigungen von Mitarbeiter*innen und Gästen. Entsprechende Positionierungen finden sich in Leitlinien und Betriebsvereinbarungen, Leitfäden für den Umgang mit Übergriffsmeldungen liegen auf und regelmäßige Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeiter*innen sind im Programm. Manche unterstützen auch zusätzlich mit dem Angebot externer persönlicher Beratung und/oder Psychotherapie. Kleine und mittlere Unternehmen können sich dies neben dem Alltagsgeschäft nur schwer leisten. Hier setzt das Fortbildungs-Paket von Yes We Do – Fair Play: Dienstleistung ohne Über- und Untergriffe an. „Unternehmer*innen und Führungskräfte können sich in kompakter Form Wissenswertes auf Betriebsebene mitnehmen. Auf Wunsch unterstützen wir in Folge auch gerne individuell bei der Implementierung im Betrieb. Seminare für Mitarbeiter*innen sind weitere Bausteine. Denn im Arbeitsalltag sollen sie sich im Anlassfall gegenseitig helfen und sich selbst gut vertreten können“, so Projektleiterin* Mag.a Eva Krainer von EqualiZ.
Der Traditionsbetrieb GORITSCHNIGGs Lunch- und Steakhaus in Velden kooperiert seit 2021 mit EqualiZ. Die „Null-Toleranz“-Haltung gegenüber Übergriffen und konkrete Vorgaben für (langjährige) Mitarbeiter*innen zum Umgang mit übergriffigen Gästen sind im Betrieb schon länger implementiert. Mit Saisonstart neu hinzukommende Ferialpraktikant*innen erhielten auch 2022 wieder eine Weiterbildung mit EqualiZ. „Durch das Seminar wurde das Selbstbewusstsein unserer Praktikant*innen gestärkt. Sie treten unseren Gästen gegenüber viel sicherer auf“, berichtet Alexandra Goritschnigg von ihren positiven Erfahrungen.
Foto: EqualiZ – Gemeinsam vielfältig