Diagnose und Therapie ohne Sprachbarrieren
In Kärnten leben rund 500 gehörlose Menschen. Im Alltag sind sie mit zahlreichen Hürden konfrontiert. Besonders bei Arztterminen kann es zu Verständigungs-Schwierigkeiten kommen. Der Tag der Gehörlosen am 23. September bietet einen Anlass, um auf die erste medizinische Einrichtung für Menschen mit Hörbehinderung aufmerksam zu machen.
Maria M. (Name geändert) ist seit ihrer Geburt gehörlos und eine Patientin, die im Elisabethinen-Krankenhaus behandelt wird.
Die Gehörlosenambulanz wurde für die Klagenfurterin zu einer wichtigen Anlaufstelle. Mit der Möglichkeit einer medizinisch hochwertigen Betreuung und Behandlung in „der eigenen Sprache“ hat sich bei ihr die Stressbelastung reduziert und sie hat neue Lebensqualität gewonnen.“
Interview mit gehörloser Patientin Maria M. (Name geändert):
Wie kamen Sie das erste Mal mit der Gehörlosenambulanz in Kontakt?
Maria M: Ich bin schon seit vielen Jahren Patientin des Elisabethinen-Krankenhauses. Vor Jahren hat mich meine Mutter damals immer begleitet. Sie hat für mich zugehört, mir manches gebärdet, aber den Großteil des Gespräches habe ich nicht mitbekommen. Zuhause hat sie versucht, mir den gesamten Inhalt dann noch mal zu wiederholen. Ich habe mich dann oft geärgert, weil mir aufgrund der Information dann noch Fragen eingefallen sind, die ich gerne selbst vor Ort noch gestellt hätte.
Aus diesem Grund habe ich nach ein paar Jahren eingefordert, dass mir eine Gebärdensprachdolmetscherin vom Krankenhaus bereitgestellt wird. Das war damals für das Krankenhaus etwas Ungewöhnliches, doch es wurde mir ermöglicht und eine Dolmetscherin bestellt. Die Kosten dafür hat das Krankenhaus übernommen. Bei einem meiner laufenden Termine habe ich dann von der neuen Gehörlosenambulanz erfahren. Ich habe mich gleich für eine Vorsorgeuntersuchung angemeldet. So bin ich zum ersten Mal mit der Ambulanz in Kontakt getreten.
Wie hat die Möglichkeit, in der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) kommunizieren zu können, Ihr Erlebnis im Krankenhaus verändert?
Maria M: Die Möglichkeit durchgehend von der Anmeldung bis hin zur behandelnden Ärztin und dem Pflegepersonal nun in meiner Erstsprache, der Gebärdensprache, kommunizieren zu können, erleichtert den Ablauf im Krankenhaus enorm. Es ist für mich nicht mehr anstrengend, wie es früher war. Kurz gesagt: Die Stressbelastung ist viel geringer und neue Lebensqualität habe ich gewonnen.
Gab es vor der Eröffnung dieser Ambulanz Situationen im medizinischen Umfeld, in denen Sie sich missverstanden oder nicht ausreichend informiert fühlten?
Maria M: Ja, oft. Man versucht schriftlich zu kommunizieren, aber dafür nehmen sich ÄrztInnen wenig Zeit und man erhält auch nur sehr wenig Information. Wenn man von hörenden Bekannten begleitet wird, redet das Pflegepersonal meist nur mit den Angehörigen bzw. Begleitpersonen. Diese können nicht alles exakt übersetzen und man erhält erneut nur wenig Information. Das passiert sehr oft.
Wie hat die barrierefreie Kommunikation mit dem medizinischen Personal Ihre gesundheitliche Versorgung beeinflusst?
Maria M: Ich habe auf Empfehlung der Gehörlosenambulanz hin Vorsorgeuntersuchungen gemacht, an die ich selbst nicht gedacht hätte. Dabei wurden sogar ein paar gesundheitliche Themen gefunden, die anschließend behandelt wurden. Allgemein kümmere ich mich jetzt mehr um meine Gesundheit, weil ich die Zusammenhänge jetzt verstehe.
Welchen Rat würden Sie anderen gehörlosen Menschen geben, die überlegen, die Dienste der Gehörlosenambulanz in Anspruch zu nehmen?
Maria M: Ich kann jedem Gehörlosen nur raten, einen Termin für eine Vorsorgeuntersuchung zu vereinbaren. Vor allem ab 50 muss man einige Untersuchungen machen, um Krebsvorsorge zu betreiben.
Welche Verbesserungsvorschläge oder Erweiterungen des Angebots wünschen Sie sich?
Maria M: Das Angebot soll auf jeden Fall noch erweitert werden. Mehr Öffnungstage sind notwendig, denn mit vielen Krankheiten kann man nicht wochenlang auf einen Termin warten. Und wenn noch weitere Berufsgruppen gebärden könnten, wäre das toll, eine Psychologin zum Beispiel, oder Physiotherapie und Ernährungsberatung.
Die Gehörlosenambulanz im Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt ist in Kooperation mit dem Gehörlosenverband Kärnten entstanden. Durch Krankenhäuser des Ordens der Barmherzigen Brüder werden solche Ambulanzen auch in Graz, Linz und Wien betrieben.
Knapp 700 ambulante Behandlungen wurden seit der Eröffnung der Ambulanz durchgeführt.
Die Gehörlosenambulanz ist an einem Tag in der Woche geöffnet. Rund sechs PatientInnen können pro Ambulanztag betreut werden. Das Leistungsspektrum geht heute weit über eine rein medizinische Versorgung hinaus. Zu den Tätigkeitsfeldern gehört eine allgemeinmedizinische und internistische Versorgung. Das Besondere an der in Kärnten einzigartigen Einrichtung für hörbeeinträchtige Menschen ist, dass während der Ambulanzzeiten eine für Gehörlose begleitende Dolmetscherin zur Verfügung steht. Diese sorgt für die reibungslose Kommunikation während der Behandlung der Ärztinnen Dr. Claudia Tonauer und Dr. Katharina Tropper von der Abteilung für Innere Medizin.
Für OÄ Dr. Claudia Tonauer ist klar: „Speziell im medizinischen Bereich, wo Entscheidungen getroffen werden sollten, die die Gesundheit betreffen, ist es besonders wichtig, dass man wirklich vollinhaltlich versteht, worum es eigentlich geht.“ Tonauer weiter: „Bei einem stationären Aufenthalt ermöglichen wir, dass der/die PatientIn regelmäßig von unserem Gebärden-Team besucht und bei der Kommunikation unterstützt wird.“
Neben den ärztlichen und pflegerischen Aspekten kümmert sich das Ambulanzteam um Prim. Dr. Neumann, MSc. auch um die soziale und psychologische Betreuung. Zum Team der Gehörlosenambulanz gehört auch eine gehörlose Sozialbetreuerin.
Online-Videos zur Hilfestellung
Mit Online-Videos in Gebärdensprache auf der Website des Elisabethinen-Krankenhauses, werden die PatientInnen schon im Vorfeld der Untersuchung aufgeklärt. Die Videos wurden in Kooperation mit dem Gehörlosenverband Kärnten erarbeitet. Die Themen der kurzen Aufklärungsvideos reichen von der richtigen Abgabe von Harn- und Stuhlproben, Bluthochdruck, Diabetes bis hin zu zur Darmspiegelung etc. Die Videos stehen den PatientInnen zur Verfügung und sollen sie bereits vorab aufklären, um noch offene Fragen im persönlichen Gespräch zu klären.
Gehörlosenambulanz
Jeden Mittwoch von 9:30 bis 12:00
Terminvereinbarungen
sind wie folgt möglich:
Per Mail: gesundheitsberatung@ekh.at
Per SMS: +43 (0) 664/888 90 890 (OÄ Dr. Claudia Tonauer)
Per Fax: +43 (0) 463/5830 - 2020
Weitere Infos: www.barmherzige-brueder.at/portal/klagenfurt/medizinpflege/gehoerlosenambulanz
Foto: EKH