Kleiner Fink mit großen Problemen. BirdLife Österreich kürt den Girlitz zum Vogel des Jahres 2021
Mit dem Girlitz (Serinus serinus) wählt die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich einen samenfressenden Gartenbewohner zum Vogel des Jahres 2021, dessen fröhlich klingelnder Gesang immer mehr verstummt. Innerhalb der letzten 20 Jahre nahm der Girlitzbestand österreichweit auf ein Fünftel ab (minus 80 Prozent von 1998 bis 2016). Der Girlitz zählt zu den Sorgenkindern der heimischen Vogelwelt. Die Bodenversiegelung an den Stadträndern, der übertriebene Ordnungssinn in unseren Gärten und Grünanlagen sowie der Verlust an Brachflächen nehmen dem Wildkräuter fressenden Vogelzwerg die Nahrungsgrundlage. Mit der Wahl zum Vogel des Jahres 2021 rückt BirdLife Österreich den kleinsten unserer heimischen Finken mit seinem prächtig leuchtend gelben Gefieder in den Mittelpunkt und plädiert für mehr Wildkräuter in unseren Städten und Dörfern, um das Überleben des Girlitz zu sichern.
Der Girlitz bewohnt lichte, reich strukturierte Landschaften bis rund 800 Meter Seehöhe. Er benötigt einerseits Bäume zum Brüten und Singen, andererseits niedrig bewachsene Flächen zur Nahrungssuche. Gärten, Friedhöfe und aufgelockerte Ortsränder sowie Streuobstwiesen und Weingartenlandschaften sind seine wichtigsten Lebensräume. Entscheidend ist in jedem Fall ein reiches Angebot an Wildkräutern, denn er ernährt sich ausschließlich von Wildkräutersamen (wie Hirtentäschel, Löwenzahn, Gänsedistel, Vogelmiere, Wegrauke, Wildkamille) und kleinen Baumsamen (Ulme, Birke). Auch die Jungen werden mit einer Art Babybrei aus zerquetschten unreifen Samen gefüttert.
Satter Einbruch um 80 Prozent
„Den österreichischen Bestand des Girlitz schätzen wir aktuell auf rund 50.000 Brutpaare“, informiert Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich. „Damit zählt er momentan noch zu den häufigen Brutvögeln, doch unsere Beobachtungen weisen einen satten Einbruch in den letzten 20 Jahren nach: Acht von zehn Vögeln sind verschwunden! Der Jahresvogel 2021 zählt somit zu jenen Arten, deren Anzahl in den letzten Jahren am dramatischsten zurückgegangen ist!“ Auch Europaweit sind deutliche Rückgänge zu bemerken, in Deutschland um rund 50 Prozent. Damit zählt der Girlitz zu den Sorgenkindern der Vogelwelt.
Lebensraumveränderung als Hauptursache
„Der Mangel an Wildkräutern ist das Hauptproblem des kleinen Finken“, berichtet Wichmann. Im Kulturland fehlen ihm die Brachflächen, im Siedlungsbereich machen ihm die die Versiegelung von Stadtrandgebieten und Wegrändern sowie die sterile Gestaltung von Gärten, Parks und öffentlichem Grün zu schaffen. „Gerade im Osten Österreichs findet man Girlitze kaum mehr in der offenen Landschaft. Städte und Dörfer sind für ihn wichtige Rückzugsräume, wenn wir auf seine Bedürfnisse Rücksicht nehmen“, so der Experte: „Ganz einfach können wir alle zu Vogelschützern werden!“
So einfach helfen wir dem Girlitz
„Blütenwiese statt Einheitsgrün!“, so lautet die dringende Empfehlung der Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich, dem Vogel des Jahres 2021 unter die Schwingen zu greifen. Denn Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer haben es in der Hand, dem kleinen, wilden Bruder des Kanarienvogels zu helfen! Vogelschützer Wichmann fasst zusammen: „Lassen Sie Wildkräuter in Pflasterritzen und Blumenbeeten zu. Verwenden Sie Gittersteine mit Ritzenvegetation als Pflasterung anstelle von völlig versiegelten Flächen. Legen Sie Wildblumenbeete an und lassen Sie in wilden Ecken Wildkräuter wachsen!“
Tipps und Tricks für einen finkenfreundlichen Garten liefern die Broschüren „Gefiederte Gäste im Hausgarten“ und „Finkenschutz im Siedlungsraum“ – kostenfrei zu bestellen bei BirdLife Österreich unter der Hotline 01-523 46 51 und unter office@birdlife.at.
Fakten zum Girlitz:
Kleinster Fink im prächtig gelbem Gefieder
Mit nur 11-12 cm Körperlänge vom Schnabel bis zum Schwanz und 11-12 g Gewicht ist der Girlitz der kleinste heimische Fink. Das Männchen zeigt eine leuchtend gelbe Färbung im Gesicht, auf der Kehle und Brust auf. Oberseits ist er grünlich gestreift. Das Weibchen ist etwas matter gefärbt und ebenso unterseits gestreift. Mit seinem sehr kurzen dunklen Schnabel sieht der Girlitz auffällig stupsnasig aus.
Auffällig ist der hohe klingelnd-klirrende Gesang des Girlitzmännchens, der mit einem klingelnden Schlüsselbund oder klirrendem Glas verglichen werden kann. Zum Singen sitzt er auf hohen Baumwipfeln, aber auch Hausdächern oder Leitungsdrähten. Um seine Angebetete zu überzeugen, zeigt er einen Schmetterlingsartigen Singflug.
Verwandt mit Kanarienvogel
Am nächsten verwandt ist der Girlitz mit dem Kanarengirlitz, der auf den Kanarischen Inseln beheimatet ist und als Kanarienvogel in zahlreichen gezüchteten Farbschlägen als Haustier gehalten wird. In heimischen Siedlungen leben weitere Finkenarten wie Stieglitz, Grünling, Bluthänfling, Buchfink; waldbewohnende Finken sind Erlenzeisig, Kernbeißer, Gimpel; in Feuchtgebieten lebt der seltene Karmingimpel, auf Almen der Zitronenzeisig.
Überwintern im Mittelmeerraum
Der Girlitz ist ein Kurzstreckenzieher. Das Überwinterungsgebiet der österreichischen Girlitze liegt im zentralen Mittelmeerraum, überwiegend in Italien, aber auch in Griechenland. Sie ziehen von Mitte September bis Ende Oktober aus Österreich ab. Ganz vereinzelt verbleiben die kleinen Finken in milden Wintern auch bei uns. Die meisten Girlitze kehren Anfang/Mitte April nach Österreich zurück, um hier zweimal pro Saison zu brüten.
Foto: Wolfgang Schweighofer