Vorverurteilungen gehören zum Medienalltag. Nicht nur der immer wieder zitierte „böse“ Boulevard, auch sogenannte „Qualitätszeitungen“, staatliche Rundfunk- und Fernsehstationen sowie private TV-Sender halten es mit Medienethik, Persönlichkeits- und Menschenrechten sowie dem Schutz der Privatsphäre nicht immer so genau. Besonders soziale Medien (von X bis TikTok) verbreiten Fake News und sorgen für irritierende Falschmeldungen, die sich in Windeseile ausbreiten.
In seinem neuen Buch „Schlagzeilen-Gewitter“ (Drava-Verlag, 360 Seiten, 24 Euro) verweist der Klagenfurter Autor Harald Raffer auf folgenschwere Sünden der Medien. Presserat und Ehrenkodex entpuppen sich hingegen als zahnlose Feigenblätter für eine in westlichen Demokratien angeblich funktionierende Presse- und Meinungsfreiheit. Das Werk dokumentiert, dass durch Kampagnen und „alternative Fakten“ nicht nur an Einzelpersonen Rufmord verübt wird, sondern auch Gruppen und Staaten Opfer von gezielten Falschinformationen werden. Immer öfter führen Sparmaßnahmen bei Verlagen. Herausgebern und Sendeanstalten zu verheerenden Fehlern oder verbreiten in der grenzenlosen digitalen Welt fatale Irrtümer. Die Medienethik wird auf dem Altar der Leser-, Zugriffs- und Quotenzahlen geopfert, unzählige Desinformationen entpuppen sich täglich als gefährliche Stimmungsmacher, hetzen gegen bestimmte Gruppen, sorgen für Shitstorms und täuschen die Bevölkerung geschickt über wahre Sachverhalte hinweg.
Wer wochenlang durch Indiskretionen der Behörden und Medien als Krimineller an den Pranger der Öffentlichkeit gestellt wird, gilt in unserer schnelllebigen Zeit auch nach einem gerichtlichen Freispruch keinesfalls als „unschuldig“. Auf diese Weise werden Karrieren ruiniert, Institutionen zerstört, Gesellschaften angepatzt, Minderheiten attackiert, Andersgläubige verunglimpft, krude Verschwörungstheorien verbreitet, Meinungen verdreht und unter dem Deckmantel der Pressefreiheit Menschenrechte mit Füßen getreten. Das Buch ermöglicht einen Blick hinter die hell leuchtenden Kulissen der Medien – und belegt deren negative Einflüsse und ihre publizistische Macht als vierte Gewalt. Sei es durch internationale Beispiele (wie bei der Kriegspropaganda), aber auch bei „Sensationen“ im nationalen oder regionalen Bereich. Näher beleuchtet werden aufsehenerregende Fälle der Vorverurteilung und deren Folgen für die Betroffenen (lediglich eine Auswahl).
Vorverurteilung? Fehlende Medienethik? „Otto Normalverbraucher“ und Promis als Medienopfer? Schlechte oder fehlende Recherche? Gezielte Kampagnen mit einem speziellen Hintergrund? Vermischung mit PR, bezahlten und redaktionellen Beiträgen? Die Schlagzeile als Maß aller Dinge? All das gehört zum verführerischen Medienalltag, dem sich niemand zu entziehen vermag. Schon gar nicht bei der kaum enden wollenden Informationsflut im Internet und den Fake News der digitalen Welt, die eine veröffentlichte Meinung nie vergisst. Besonders schlimm sind wochenlange Vorverurteilungen durch Medien, weil es dann kaum noch möglich ist, sich unvoreingenommen ein korrektes Bild der jeweiligen Causa machen zu können. Und wie oft versuchen politische Parteien für sie nachteilige Meldungen beim Staatsfunk, nahestehenden Sendern oder Printmedien zu verhindern? Etwa durch „Inseratenfütterung“? Deshalb ist unabhängiger Journalismus, der professionell Nachrichten aus dem täglichen Info-Müll sortiert und aufbereitet, unerlässlich. Er darf auch etwas kosten. Und wie sieht es mit einer möglichst objektiven Berichterstattung aus? Dazu werden Medienprofis und Wissenschaftler zitiert.
Autor Harald Raffer war über drei Jahrzehnte als Redakteur bei der 2014 eingestellten „Kärntner Tageszeitung“ tätig und avancierte zum Aufdecker, Exklusiv-Geschichtenschreiber und Chefreporter (außergewöhnliche und kuriose Erlebnisse als Journalist werden im zweiten Teil beschrieben). 2007 wechselte der gebürtige Bleiburger als Unternehmenssprecher zur Stadtwerke Klagenfurt Gruppe, wo er den „Kärntner Lyrikpreis“ und das Lifestyle-Magazin „licht.blick“ ins Leben rief und Brückengespräche mit Promis im Strandbad führte.
Nach Sponsion und Promotion unterrichtete Raffer „nebenbei“ als Lehrbeauftragter an der Klagenfurter Uni. Seit seiner Pensionierung mit Jänner 2023 ist der Kärntner als Buchautor und freier Journalist tätig. Seine Meinung zum Journalistenjob: Es ist ein abwechslungsreicher Beruf mit erstaunlichen Möglichkeiten, die man freilich erkennen, nutzen und umsetzen muss. Eine gute Journalistin bzw. ein guter Journalist bleibt unbestechlich, befragt bei erhobenen Vorwürfen stets die „Gegenseite“ und lässt diese auch zu Wort kommen. Professionelle Schreiber verwenden nicht jedes Mittel, um an brisante Unterlagen zu kommen. Wenn im täglichen Redaktionsstress trotzdem Fehler passieren, ist eine Richtigstellung selbstverständlich. Menschen dürfen nicht von Medien gejagt oder grundlos denunziert werden.
Dieses Buch besitzt keinen Anspruch auf eine wissenschaftliche Arbeit, soll aber die Folgen schlampiger Recherche oder fehlerhafter Berichterstattung unter dem Deckmantel „Pressefreiheit“ oder „Recht auf Information“ aufzeigen. Einige Fälle dokumentieren die gnadenlose Jagd nach Bildern, den mit Inseraten geköderten Krawall-Journalismus oder den tiefen Fall mancher Politiker. Harald Raffer beschreibt u. a. ungewöhnliche Interviews mit Papst Johannes Paul II., dem libyschen Diktator M. Gaddafi, mit Staats- und Regierungschefs (von Waldheim bis Klestil, von Kreisky bis Haider), Top-Spionen, Serien-Killer Jack Unterweger oder anderen kriminellen Größen. Als „Kärntner Wallraff“ schlüpfte der Autor in Verkleidungen und Rollen, um möglichst „hautnah“ berichten zu können: Als Waffenhändler, Häftling, Gastarbeiter, Obdachloser, Bettler, Fernfahrer, Aids-Kranker etc.
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