„Mehr Pflegekräfte und deren Entlastung; Verstärkung der (präventiven) Betreuung zu Hause und in den Gemeinden; Nutzung neuer Technologien im Pflegealltag: Das sind die drei Themenbereiche, die wir in der Pflege ganz besonders groß schreiben werden“, informierte heute Gesundheitsreferentin Beate Prettner im Rahmen einer Pressekonferenz zum Tag der Pflege, der am 12. Mai begangen wird.
Wie Prettner erklärte, habe Kärnten in den vergangenen Jahren sukzessive den Pflegeschlüssel verbessert. „Es ist mein Ziel, den Pflegeschlüssel noch weiter zu verbessern. Das wird aber nur möglich sein, wenn wir über genügend Pflegepersonal verfügen. Ansonsten wäre die weitere Senkung des Pflegeschlüssels zwar gesetzlich auf Papier festgeschrieben, in der Praxis aber nicht umsetzbar“, so Prettner. „Daher gehen wir folgenden Weg: Wir forcieren mit unserer Ausbildungsoffensive den Pflege-Nachwuchs. Und parallel dazu entlasten wir das Pflegepersonal mit Hilfskräften.“ Das bereits im Jänner 2023 gestartete Hilfskräfte-Projekt sei sehr erfolgreich in den Pflegeheimen angekommen – und wurde daher in der gestrigen Regierungssitzung verlängert. „Wir haben 120 Vollzeit-Hilfskräfte bewilligt. Diese übernehmen Tätigkeiten wie: Essensausgabe, Wäsche waschen, Betten beziehen etc. Damit entlasten sie das Pflegefachpersonal – und dieses kann sich mehr auf die tatsächlichen Pflegetätigkeiten konzentrieren. Ein sehr erfreulicher Nebenaspekt ist, dass sich bereits einige dieser 100 Personen dafür interessieren, sich zur Pflegeassistenz ausbilden zu lassen“, sagte die Gesundheitsreferentin.
Auf Wunsch der Gewerkschaft werde aktuell ein Pilotprojekt für die Mobilen Dienste entwickelt: „Wir wollen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Dienstplansicherheit geben“, betonte Prettner. So soll es auch möglich sein, die Mobilen Dienste weiter auszubauen. In den vergangenen Jahren wurde das Stundenkontingent laufend erhöht. „Derzeit bieten wir 1,1 Millionen Stunden pro Jahr an. Beschäftigt sind 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die knapp 11.000 Kärntnerinnen und Kärntner betreuen.“
Als zweiten großen Pflege-Schwerpunkt sieht die Gesundheitsreferentin die Betreuung zu Hause und in den Gemeinden: „Auch dafür sind die Mobilen Dienste ein ganz wesentlicher Faktor, um Betreuung zu Hause zu ermöglichen. Das ist aber bei weitem nicht alles an wohnortnahen Maßnahmen. Dazu gehört ein ganzes Bündel – und genau dieses Bündel will Kärnten verstärkt schnüren.“ Die größten „Brocken“ in diesem Bündel sind: Die Pflege-Nahversorgung bzw. die community nurses auf alle 132 Gemeinden auszuweiten. Aktuell sind bereits 93 Kommunen mit an Bord, womit Kärnten haushoch an der Spitze steht. „Eingebettet in diese Pflege-Nahversorgung ist unser Ehrenamtmodell: Wir haben bereits mehr als 400 Ehrenamtliche, die von uns geschult und versichert werden, gewinnen können.“ Das Ehrenamtmodell sei auch als „Pakt gegen die Einsamkeit“ zu verstehen. „Das ist ein wunderbares Modell – getragen vom Wir-Gedanken, getragen von Menschlichkeit, es ist großartig und ich bin sehr stolz, dass sich so viele Kärntnerinnen und Kärntner in den Dienst dieses Miteinanders stellen“, dankte Prettner allen Beteiligten. Einsamkeit sei nicht zu unterschätzen: Sie sei ein immenser Risikofaktor für psychische Erkrankungen, für Pflegeanfälligkeit, vielleicht auch für Demenz. „Daher setzen wir ganz gezielt und stark auf unser Ehrenamt als präventives Projekt in der Pflege.“
Die Pflege zu Hause soll schließlich auch mit einem weiteren Ausbau der Tagesstätten unterstützt werden. „Unser zusätzlicher Plan ist es, die Inanspruchnahme der Tagesstätten mit Hol-und Bringdiensten attraktiver zu machen. Uns schweben unter anderem Generationenbusse vor – also Bustransporte, die die ältere und die jüngere Generation gemeinsam befördern.“
Ein „nicht unwesentliches Entlastungspotenzial im Pflegealltag“ sieht Prettner in der Nutzung von innovativen Technologien und KI-orientierten Lösungen. „Es wurden schon einige innovative Systeme hervorgebracht, die man auch im Pflegewesen nutzen kann bzw. nutzen muss. Genau das wird Kärnten tun. Richtig eingesetzt, werden sie dazu beitragen, das Personal zu entlasten und damit die Pflegequalität zu steigern: Wenn nämlich diverse Funktionen von digitalen Technologien übernommen werden, macht das Personalkapazitäten frei, die dann für die tatsächliche Pflege am Menschen genutzt werden kann. Das heißt: Pflegekräfte sollten mehr Zeit für die menschliche Zuwendung gewinnen.“ Derzeit sind zwei Pilotprojekte in Vorbereitung: Ein Projekt betrifft die Pflegedokumentation, die künftig nicht mehr niedergeschrieben, sondern nur noch diktiert werden soll. Das andere Projekt ist ein digitales Monitoring („Überwachungssystem“ von Herzfrequenz etc.).
Gewerkschafter Valid Hanuna machte insbesondere auf die fordernden Arbeitsbedingungen aufmerksam: „Vor allem bei den Mobilen Diensten ist mehr Dienstplansicherheit notwendig. Jeder soll wissen, wann er tatsächlich arbeiten bzw. wann er eventuell einspringen muss. Dafür sind Anreize zu setzen. Diese Anreize würden auch künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen suggerieren.“ Hanuna zeigte sich zuversichtlich, dass die sich in der Finalisierung befindenden Gespräche mit dem Land erfolgreich sein werden. Als „erfolgreich“ bezeichnete Hanuna das Entlastungsprojekt in den Pflegeheimen mit 120 Hilfskräften: „Die Rückmeldungen, die ich erhalte, sind wirklich gut. Sie zeigen eine deutliche Entlastung des Personals. Ich hoffe, dass dieses Projekt nicht nur bis Jahresende beibehalten, sondern zur Dauereinrichtung wird.“
Den Aspekt der Betreuung in den Gemeinden und zu Hause beleuchtete Gabriele Hagendorfer-Jauk vom Alternsforschungszentrum IARA von der FH Kärnten. Die FH Kärnten wurde vom Bund mit der Evaluierung der Community Nurses betraut. „Kärnten hat hier mit der Pflege-Nahversorgung vorgelegt. Das zusätzlich eingeführte Ehrenamtmodell zielt genau in die richtige Richtung“, so Hagendorfer-Jauk. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sei nämlich eine Verschränkung von professionellen Versorgungssystemen mit dem großen ehrenamtlichen Potenzial in der Gesellschaft das Um und Auf: „Genau das gehört gefördert!“ so Haugendorfer-Jauk. Wichtig sei es, dass man Anlaufstellen für interessierte Freiwillige schaffe und/oder dass man diese aktiv dazu einlädt, ehrenamtlich tätig zu werden. „Denn das Interesse ist da. Vor allem bei der Gruppe der über 50-Jährigen“, sagte die Wissenschaftlerin. Sie ist überzeugt: „In Zukunft werden caring communities bzw. Sorgenetze massiv an Bedeutung gewinnen. Wie kann man gemeinsam auf ein gutes Älterwerden hinwirken? Wie kann man sich so vernetzen, dass Betreuung vom familiären Umfeld auf einen nachbarschaftlichen Raum und auf Gemeindeebene verteilt wird? „Die Pflege-Nahversorgung mit dem Ehrenamtmodell ist ein gutes Beispiel, wie das Miteinander gelingen kann.“
Foto: Büro LR.in Prettner