Jährlich werden an der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie am Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt rund 700 Totalendoprothesen im Bereich Hüfte, Knie und Schulter implantiert. Auffällig ist mittlerweile, dass mehr als die Hälfte der PatientInnen an Übergewicht (Adipositas) leidet. Eine Herausforderung für die Chirurgen im Bereich der Orthopädie Prim. Dr. Oliver Djahani und Erster Oberarzt Dr. Matthias Leitner, MSc.
Der Einbau künstlicher Hüftgelenke ist eine der erfolgreichsten Operationen in der Medizin, die Zufriedenheit ist hoch, die meisten PatientInnen können bereits am Tag nach der Operation wieder aufstehen.
Doch die Herausforderung der Zukunft lautet Übergewicht.
Laut dem europäischen Adipositas-Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 54,3 Prozent der erwachsenen Österreicher (61,8 Prozent der Männer und 46,8 Prozent der Frauen) übergewichtig oder adipös. Als adipös gilt, wer einen BMI über 30 hat. Das kann zur Entwicklung oder zum Fortschreiten einer Knie- oder Hüftarthrose führen, so dass diese Personen ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk benötigen.
Das a.ö. Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt ist seit über 30 Jahren auf die Behandlung von Beschwerden am Bewegungsapparat spezialisiert. Einer der Schwerpunkte ist die minimal-invasive Endoprothetik, das heißt das schonende Einsetzen von künstlichen Gelenken, die den/die PatientIn nach der OP schnell wieder in ihre tägliche Routine zurückkehren lassen.
Für die ChirurgInnen im Elisabethinen-Krankenhaus wird Adipositas zum „schwerwiegenden“ Problem, wie die Chirurgen Prim. Dr. Oliver Djahani und EOA Dr. Matthias Leitner, MSc von der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie berichten.
Risikofaktor Übergewicht bei Gelenkprothesen
Übergewichtige bzw. adipöse PatientInnen haben nicht nur ein höheres Risiko für eine Arthrose, auch die Komplikationsrate bei Totalendoprothesen (TEPs) von Gelenken steigt. Zusätzlich steigen mit der Körperfülle auch die Operationsrisiken, denn schweres Übergewicht geht oft mit Mehrfacherkrankungen, etwa Herz-Kreislauf-Problemen oder Diabetes, einher.
Die Waage und das Skalpell
In den Patientengesprächen legen die Chirurgen der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie besonderen Wert auf die Aufklärung über das erhöhte perioperative Risiko bei einem BMI über 30. Bei einem BMI über 40 oder gar 50 rät er dringend zu gewichtsreduzierenden Maßnahmen vor einem endoprothetischen Eingriff. „Es ist wichtig, dass die Patienten verstehen, wie exponentiell das Risiko mit einem höheren BMI ansteigt,“ betont Prim. Dr. Djahani.
Kooperation mit Adipositas-Zentrum im Krankenhaus St. Veit
Das Elisabethinen-Krankenhaus verfügt über ErnährungsberaterInnen und kann Kontakte für den extramuralen Bereich herstellen.
Die Abteilung für Orthopädie und Traumatologie am Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt arbeitet eng mit dem Adipositas-Zentrum am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan zusammen. Schwer übergewichtige PatientInnen wird angeraten in einer Adipositassprechstunde vorstellig zu werden, und erst danach wird besprochen, wann bzw. ob ein orthopädischer Eingriff möglich ist. Zudem findet einmal im Monat eine Adipositas-Info-Veranstaltung statt (nächsten Termine 6.3 und 3.4). Diese multidisziplinäre Herangehensweise unterstreicht das Engagement der eng kooperienden Krankenhäuser, übergewichtige PatientInnen umfassend auf ihre Operationen vorzubereiten und ihnen bei der Gewichtsreduktion behilflich zu sein.
Übergewichtige PatientInnen sind nämlich häufig von Begleiterkrankungen wie dem metabolischen Syndrom, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus betroffen. Diese Komorbiditäten können die OP-Tauglichkeit beeinflussen und zu Verzögerungen des OP-Termins führen. „Die Begleiterkrankungen erfordern zusätzliche Abklärungen und können die Entscheidung für oder gegen einen Eingriff maßgeblich beeinflussen,“ sagt Dr. Djahani.
Gelingt es dem/der PatientIn abzunehmen, kann er/sie in den meisten Fällen operiert werden. Zusätzlich wird bei allen PatientInnen versucht, sie medizinisch optimal auf die Operation vorzubereiten. Das betrifft auch Diabeteseinstellungen, Infektabklärungen oder die Behandlung von bekannten Herzleiden etc.
Schwere Belastung für den OP-Tisch
Der Orthopäde Prim. Dr. Oliver Dr. Djahani hebt hervor, dass übergewichtige PatientInnen nicht nur operationstechnische Probleme aufwerfen, sondern auch postoperative Schwierigkeiten wie Wundheilungsstörungen und verzögerte Remobilisation. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Eignung des OP-Tisches für das Gewicht der PatientInnen, da diese Tische Gewichtslimitierungen haben. „Wir stehen vor der Herausforderung, dass die operationstechnischen Probleme bei übergewichtigen PatientInnen vermehrt auftreten, und die postoperative Phase durch Wundheilungsstörungen und verzögerte Remobilisation kompliziert wird,“ erklären die Ärzte Prim. Dr. Djahani und der Erste Oberarzt Dr. Matthias Leitner, MSc.
Größere Instrumente, höhere Risiken
Die Möglichkeiten der Anästhesiologie bzw. der Narkoseverfahren sowie manche operative Zugänge werden durch das Übergewicht ebenfalls beeinträchtigt, was zu längeren OP-Zeiten und potentiellen Gewebeschäden führen kann. „Erschwerte operative Zugänge erfordern den Einsatz von größeren Instrumenten und Wundspreizern, was bei längerer OP-Zeit das Gewebe schädigen kann,“ wie Prim. Dr. Djahani seine Erfahrungen am OP-Tisch schildert
Die doppelte Hürde: Erholung von der OP
Die postoperative Phase bei übergewichtigen PatientInnen unterscheidet sich signifikant von der bei PatientInnen mit normalem Gewicht. Der Erste Oberarzt Dr. Matthias Leitener, MSc erläutert, dass übergewichtige PatientInnen aufgrund der vorliegenden Begleiterkrankungen eventuell länger im Krankenhaus verweilen müssen. „Die Mobilisation durch Physiotherapie ist erschwert.“ Eine verzögerte Mobilisierung hat zudem negative Auswirkungen auf die Comorbiditäten. Eine schnelle Mobilisation ist essenziell für die Erholung des Kreislaufs nach operationsbedingten hämodynamischen Veränderungen, was bei übergewichtigen PatientInnen eine zusätzliche Herausforderung darstellt.
Interview mit Dr. Oliver Djahani und EOA Dr. Matthias Leitner Abteilung für Orthopädie und Traumatologie
Ist der operative Zugang zum Gelenk bei Adipositas größer und die Situation unübersichtlicher?
Prim. Dr. Oliver Djahani: Ja, vollkommen richtig. Durch die eingeschränkte Sicht kann es zu Wundheilungsstörungen und auch zur Fehllage der Prothese kommen.
Welche technischen Anpassungen oder speziellen Ausrüstungen sind erforderlich, um übergewichtigen PatientInnen orthopädische Eingriffe zu ermöglichen?
EOA Dr. Matthias Leitner: OP-Tische haben Gewichtslimitierungen. Viele Häuser haben jedoch aufgrund der bestehenden Problematik bereits mind. einen Tisch mit einem höheren Limit. Gerne werden bei knieprothetischen Eingriffen sogenannte Beinhalter verwendet, um die OP zu erleichtern. Dies ist jedoch bei sehr adipösen PatientInnen nicht möglich.
Benötigt das medizinische Personal spezielle Schulungen oder Fähigkeiten, um diese Operationen erfolgreich durchzuführen?
Prim. Dr. Oliver Djahani: Jeder Fachbereich, der im Zusammenhang mit dem Eingriff steht, hat Maßnahmen im Umgang mit adipösen PatientInnen erlernt. Somit können diese Eingriffe im Rahmen der naturbedingten Risiken erfolgreich durchgeführt werden.
Gibt es neue Forschungserkenntnisse oder Technologien, die in naher Zukunft die Behandlung von übergewichtigen PatientInnen in der Orthopädie verbessern könnten?
Prim. Dr. Oliver Djahani: Die Forschung ist natürlich angesichts der wachsenden Problematik auch zunehmend damit beschäftigt, die Invasivität dieses Eingriffs zu reduzieren und sich computergestützter Verfahren zu bedienen, die es den ChirurgInnen vereinfachen, die Komponenten zu plazieren. Hier spreche ich von Navigation, Robotik, digitaler präoperativer Planung usw. Es konnte der Benefit im klinischen outcome bislang nicht bewiesen werden.
Wo sehen sie die Herausforderungen in der orthopädischen Chirurgie im Kontext der steigenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas?
Prim. Dr. Oliver Djahani: Im Wesentlichen geht es um einheitliche Linien in der Behandlung von adipösen PatientInnen, die einen endoprothetischen Eingriff benötigen. Es sollte nicht sein, dass manche Krankenhäuser/ChirurgInnen cutoffs anhand der wissenschaftlichen Daten festlegen und andere Krankenhäuser / ChirurgInnen nicht. So wird man nicht das Bewusstsein bei den PatientInnen schaffen, das Gewicht zu reduzieren.
Man darf zu guter Letzt auch den gesundheitsökonomischen Bereich nicht außer Acht lassen, dass es bei steigender Prävalenz von Adipositas durch längere Aufenthalte und Nachsorge, sowie erhöhter perioperativer Komplikationen zu einer deutlichen Mehrbelastung dieses Zweiges kommt.