Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass berufliche Vielsitzer häufiger krank sind und trotz täglichem Work-out-Programm eine geringere Lebenserwartung haben, als Menschen mit "beweglicheren" Arbeitsplätzen. Zudem macht ständiges Sitzen träge und kann zu Burn-out führen.
Zum Aussitzen der Arbeitszeit gibt es längst effektive Alternativen, um mehr Bewegung in den Arbeitsalltag zu bringen. Dennoch finden sich in Österreichs Büros und Schulen zumeist noch veraltete Strukturen vor. Oftmals wird aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf bewegungsfreundliches Mobiliar umgestellt, wenngleich dieses auch längerfristig zur Leistungssteigerung in Verbindung mit einem geringeren Krankenstand führen könnte.
Wie schädlich ist "Vielsitzen" wirklich?
Mitte des 20. Jahrhunderts entstand in vielen Teilen der Welt und auch in Europa und Österreich eine Wohlstandsgesellschaft, wie es sie vorher noch nicht gab. Die Menschen Essen gut, Rauchen und lassen immer mehr anstrengende Tätigkeiten von Maschinen verrichten. Die Schädlichkeit von Rauchen wurde inzwischen realisiert. Zigarettenqualm verschwindet mehr und mehr aus Personalräumen, Gaststätten und mancherorts selbst von öffentlichen Plätzen. Angesichts des herrschenden Bewegungsmangels könnte dennoch provozierend gefragt werden, ob nicht der Kollege gesünder lebe, welcher zwischendurch immer wieder zur Raucherpause geht. Wenngleich dem nicht so ist, halten doch viele Arbeitsmediziner und Forscher das Sitzen für "das neue Rauchen".
Laut dem Gesundheitsexperten Peter Lahm von der Online Klinik 121doc.at soll selbst bei täglichem Freizeitsport von bis zu 60 Minuten, mehrstündiges Sitzen immer noch Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen sowie Diabetes-Erkrankungen fördern. Wer täglich mehr als sechs Stunden sitzt, erhöht das Risiko eines früheren Todes um bis zu 25% im Vergleich zu Arbeitskollegen, welche unter vier Stunden am Stück sitzen.
Welche Auswirkung hat zu langes Sitzen auf die Gesundheit?
Langzeitstudien des Pennington Biomedica Reaserch Center of Lousiana zufolge reduzieren bereits mehr als drei Stunden Sitzen am Tag die Lebenserwartung. Das ergab ein Vergleich von mehr als 17.000 Probanden. Dabei ist vielmehr die Innaktivität als das reine Sitzen das Problem.
Fortwährender Bewegungsmangel führt neben ernst zu nehmenden Stoffwechselerkrankungen zu Schäden am gesamten Halteapparat des Körpers und erschwert die Arbeit im Sitzen zunehmend. Die Muskeln verkümmern und Sehnen verkürzen sich. Ein schwacher Rücken begünstigt Bandscheibenvorfälle.
James Levine, Endokrinologe der Mayo-Klinik in Rochester sieht ein bis um 50-Prozent gesteigertes Herztodrisiko von "Sitzkranker" gegenüber bewegungsfreudigerer Kollegen. Im Sitzen verbrenne der Körper kaum Kalorien und schränke zudem die LPL-Aktivität (Lipoproteinlipase zur Blutfettkontrolle) um 50 Prozent ein. Auch er sieht die erhöhte Gefahr neben Übergewicht auch an Diabetes und Herz-Kreislaufleiden zu erkranken. Zudem hätte längeres Sitzen Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem. Demnach wären Vielsitzer müder, hätte nur noch einer reduzierte Fähigkeit Stress abzubauen, Ängste, Depressionen und Burn-out wären begünstigt. Weniger Sitzzeit könnte Energie, Motivation und damit die Konzentration hingegen erhöhen.
Auch die österreichische Studie "Active Office" ergab, dass regelmäßiger Haltungswechsel bei der Tätigkeit bereits zu mehr Wohlbefinden der Arbeitnehmer führen kann und selbst monotone Aufgaben erleichtert.
Was wären gesunde Alternativen?
Das zur Verfügung stellen von Steh-Schreibtischen könnte bereits zu einer Verbesserung der Gesamtsituation beitragen. Wer jetzt allerdings denkt 8-stündiges Stehen brächte eine Verbesserung ist weit gefehlt. Hierbei würden einzig und alleine Rückenschmerzen, müde Beine und Krampfadern gefördert. Auf eine gesunde Mischung kommt es an, um Möglichkeiten zu schaffen, von Zeit zu Zeit die Arbeitshaltung zu verändern.
Mediziner und Sportwissenschaftler Bernhard Schwarz von der Fachhochschule Linz empfiehlt hier einen Haltungswechsel im Abstand von 20 bis 30 Minuten. Er fordert damit sogar ein höheres Bewegungspensum wie die von Arbeitsmedizinern aufgestellte "Ergonomie-Formel": 60% Sitzen, 30% Stehen und 10% Gehen.
Weitere zu verwirklichende Alternativen zum Stehtisch könnten auch Wippsitze oder Gymnastikbälle sein. Wer keine Lust auf Arbeitsplatzgymnastik hat, kann anstatt des Fahrstuhls zumindest die Treppe nehmen oder einen Verdauungsspaziergang in die Mittagspause einbauen.
Warum werden die Erkenntnisse nicht umgesetzt?
Die First Vienna Bilingual Middleschool hat es vorgemacht und ab 2010 jedem Klassenraum einen bewegungsflexiblen Wipp-Sitz ohne Rücken- und Armlehnen sowie zwei höhenverstellbare Stehpulte auf bewegungsfördernden Schaumstoffmatten zur Verfügung gestellt. Laut Direktorin Marta Hafner fördere dies, dass die Kinder ruhiger und konzentrierter würden, anstatt, wie angenommen, unruhiger. Das Prinzip konnte sich in Österreichs Schulen jedoch aus Kostengründen und aufgrund von Platzmangel in Klassenräumen nicht durchsetzen.
Work-out gleicht Bewegungsmangel nicht aus
Noch so hartes Fitnesstraining am Abend oder tägliches Joggen am Morgen kann einen bewegungslosen Alltag nicht ausgleichen. Das Resultat tragen am Ende nicht nur die Arbeitnehmer selbst, sondern auch Staat und Wirtschaft. Demotivierte, weniger Leistung bringende und öfter kranke Mitarbeiter, die immer häufiger arbeitsunfähig werden oder in Frühpension gehen. Wer die Kosten der Anschaffung flexibler Mobiliars nicht scheut und aktives Bewegungs- und Pausenmanagement in sein Unternehmen einbaut, kann am Ende nur gewinnen.