Ab Mitte April treffen die ersten Mehlschwalben an ihren heimischen Brutplätzen ein. Doch nur noch halb so viele Paare werden heuer ihre kunstvollen Lehmnester an raue Außenmauern von Gebäuden, unter Dach- und anderen Vorsprüngen bauen als vor 25 Jahren. Das Schwinden menschlicher Toleranz, die zunehmende Bodenversiegelung, Sanierungsmaßnahmen an Häusern, die intensivierte Landwirtschaft und immer weniger Fluginsekten setzen der nesttreuen Sommerbotin arg zu.
Die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich gibt Tipps, wie der Mehlschwalbe (Delichon urbicum) unter die Flügel gegriffen werden kann. Das Schutzprojekt „Mehlschwalbe – Hilfe für den Glücksbringer in Not“ wird finanziert vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Sie gelten als Glücksbringer und Frühlingsboten - mit Schwalben verbinden viele Menschen positive Gefühle. Wer jemals mit Entzücken das sanfte Gezwitscher junger Mehlschwalben im Nest gehört oder ihre neugierigen Gesichter in der Nestöffnung beobachtet hat, kann dem nur zustimmen, doch: „Dass die Mehlschwalbe in Österreich weiter heimisch bleibt, ist stark von der menschlichen Toleranz und dem Erhalt der Ökosysteme abhängig!“, weiß Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich. „Nach unserer Einschätzung ist ein hoher Schutz- und Handlungsbedarf gegeben. Die Mehlschwalbe ist in der Ampelliste von BirdLife Österreich auf Gelb eingestuft!“ Denn seit 1998 ist fast jede zweite Mehlschwalbe aus Österreich verschwunden. Inzwischen werden nur noch rund 17.500 Mehlschwalbenpaare zur Brut in Österreich erwartet.
Ursachen für Schwalbenschwund
Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden, das absichtliche Entfernen der geschützten Nester oder das bewusste Verhindern des Nestneubaus durch Spikes oder spezielle Fassadenanstriche erschweren das Überleben der Schwalben in den Siedlungen. Der immense Rückgang fliegender Insekten, bedingt durch die zunehmend intensivierte Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, den Rückgang der Weidewirtschaft, den Einsatz von Pestiziden und der Zerstörung oder Degradierung von Feuchtgebieten schmälert ihre Nahrungsgrundlage. Durch die fortschreitende Versiegelung der Stadtrandgebiete oder ländlicher Wege und Dorfplätze finden Schwalben weder Pfützen noch Lehm für ihren Nestbau vor. Rund 1.500 gesammelte Lehmkügelchen sind für ein fertiges Nest nötig.
Wie kann den Schwalben unter die Flügel gegriffen werden?
Mehlschwalben brüten in Kolonien und bauen runde und beinah geschlossene Lehmnester kunstvoll an Gebäuden unter Dach- oder Fassadenvorsprüngen. Bestehende Nester müssen unbedingt erhalten werden. Gibt es diese nicht, werden auch Kunstnester angenommen. Um die Fassade von Haus und Hof vor Verschmutzung zu schützen, hat sich das Anbringen von Kotbrettchen unter dem Nest als sinnvoll erwiesen. Das umfasst lebensraumverbessernde Maßnahmen durch Erhöhung des Blühangebots, ein naturnaher Garten sowie intakte Feuchtgebiete das Nahrungsangebot der Schwalben ebenso wie der Verzicht auf Insektizide. Die Vogelschutzorganisation empfiehlt auch das Errichten von Lehmlacken zur Materialsuche für den Nestbau und zur Wasserversorgung.
Schutzprojekt „Mehlschwalbe – Hilfe für den Glücksbringer in Not“
BirdLife Österreich startet heuer mit Unterstützung des BMK das Schutzprojekt „Mehlschwalbe – Hilfe für den Glücksbringer in Not“. Basierend auf den Ergebnissen des Citizen Science-Projekts 2018–2021 wird ausgewertet, wo es noch größere Mehlschwalbenkolonien gibt, um anschließend Beratungen anzubieten und, sofern notwendig, gezielte Schutzmaßnahmen einzuleiten. Das umfasst lebensraumverbessernde Maßnahmen durch Blühflächen, Schwalbenlacken sowie unterstützende Maßnahmen wie Nisthilfen oder „Kotbretter“. Es ist auch geplant, eine Kooperation mit sozialen Einrichtungen aufzubauen, mit dem Ziel einer nachhaltigen, regionalen Produktion von Schwalben-Kunstnestern, Nistbrettern und/oder Kotbrettern.
Schwalben und ihre Nester unter Schutz
Alle freilebenden, nicht jagdbaren, in der EU heimischen Vogelarten, so auch Österreichs Schwalben, stehen unter einem besonderen Schutz. Auch ihre Brutstätten sind gesetzlich geschützt und dürfen zur Brutzeit nicht absichtlich entfernt oder zerstört werden. Die Missachtung kann eine Anzeige der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde (Naturschutzgesetz des Landes & §222 Strafgesetzbuch - Misshandlung, absichtliche Tötung) zur Folge haben. In den meisten Bundesländern gilt dies auch über die Brutzeit hinaus.
Foto: Johannes Hohenegger