Nach dem „Tag der Arbeit“ geht die Arbeit wieder ganz normal weiter, aber immer mehr Menschen finden ihre Arbeit gar nicht mehr normal. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Integral“ wünschen sich zwei Drittel der österreichischen Arbeitnehmer mehr Freizeit. Vor die Wahl gestellt, mehr zu verdienen oder mehr Urlaubstage zu haben, würde eine große Mehrheit mehr freie Tage wählen.
Sind Österreichs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer plötzlich alle faul geworden? Nein, sie sind nur klüger als jene Politiker und Lobbyisten, die von der wirklichen Arbeitswelt keine Ahnung mehr haben. Die Menschen erleben, dass sie immer länger arbeiten, immer mehr Überstunden machen, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen und „Arbeit auf Abruf“ auch abends und am Wochenende immer normaler wird. Die Anforderungen an die Beschäftigten steigen, die Löhne stagnieren. Immer mehr Leute schuften so hart, dass sie im Burnout landen. Gleichzeitig haben wir 500.000 Arbeitslose. Eigentlich muss man kein Genie sein um zu erkennen, dass da etwas fundamental falsch läuft. Wir brauchen mehr „Faulheit“, also mehr menschengerechte Arbeitszeiten und eine Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Menschen.
Wie in vielen andren Dingen stellt sich die Politik taub und blöd. Statt auf die Wünsche der Betroffenen zu hören, gehen alle Arbeitsmarkt- und Pensionsreformen in die Gegenrichtung. Immer länger sollen wir arbeiten, immer später in Rente gehen. Durch den Stress am Arbeitsplatz werden immer mehr Menschen krank, und was macht die Regierung? Sie schafft die Invaliditätspension ab! Was ist das bitte für eine Politik? Was sind das für Politiker, die binnen Minuten reagieren, wenn eine Bank auch nur hustet, aber die steigenden Nöte der Arbeitnehmer nicht nur ignorieren, sondern mutwillig verschärfen?
Noch haben wir in Österreich eine halbwegs gerechte Gesellschaft. Noch haben wir nur wenige Obdachlose und eine vergleichsweise niedrige Kriminalitätsrate. Wenn wir es aber nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen und wenn wir das soziale Netz weiter zerschneiden, dann wird es bald vorbei sein mit der Gemütlichkeit. Und zwar für alle, auch für Politiker und Reiche. Wollen wir das wirklich? Wollen wir eine Welt, in der einige immer härter für immer weniger Geld schuften müssen während andere arbeitslos sind und im Elend versinken und einige wenige immer reicher werden? Oder kommen wir doch noch zur Besinnung und erinnern uns daran, was Österreich stark und wohlhabend gemacht hat? Stark und wohlhabend wurde Österreich durch einen vernünftigen Ausgleich der Interessen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen Arbeitsplatzbesitzerinnen und Arbeitslosen, zwischen Gesunden und Kranken. Das kann man nennen, wie man mag. Solidarität, Sozialpartnerschaft oder einfach nur Vernunft. Es war das österreichische Erfolgsmodell. Dieses mutwillig zu zerstören, ist ein Verbrechen.
Abschließend noch eine Warnung: Wer denkt, wir könnten unser Land einfach abschotten und auf Europa pfeifen, der wird noch sein blaues Wunder erleben. Wir alle, vor allem auch wir Kärntner, leben von Europa, von offenen Grenzen und vom Handel. Länder, die sich einmauern, enden immer in der Katastrophe.
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