Wir lassen uns nicht mundtot machen
Klagenfurt am 11.1.2018
Weil die Klagenfurter ÖVP einen Text auf unserer Website nicht mochte, kündigte sie die Zusammenarbeit mit uns auf. Ist das der „Neue Stil“, von dem ÖVP-Chef Bundeskanzler Sebastian Kurz so gerne redet? Wenn ein Medium eine missliebige Meinung veröffentlicht, wird das Medium bestraft? Unser Kolumnist, der „Klage“, hat eine fiktive Flüchtlings-Geschichte aus dem Jahr 2026 geschrieben, deren Pointe darin bestand, dass der Flüchtling, der sie erzählt, ein Österreicher ist, der wegen eines Krieges in Europa in Kanada um Asyl angesucht hat. Der Text warnt davor, was radikale Gruppen aus Europa machen könnten. Der Text sagt nicht, dass Sebastian Kurz einen Krieg beginnen wird, sondern dass nationalistische und EU-feindliche Kräfte einen solchen auslösen könnten, wenn sie erst einmal in ganz Europa an der Macht sind. Der Text warnt auch vor Zensur und vor der Unterdrückung Andersdenkender. Vor wenigen Tagen hat übrigens Kardinal Christoph Schönborn ebenfalls vor solchen Entwicklungen gewarnt. Er sagte in einem Interview mit dem „Don Bosco Magazin“ die größte Gefahr derzeit sei, dass „nationalistische Tendenzen stark werden und rechte Parteien die Oberhand gewinnen“. Die EU sei ein „einzigartiges Friedensprojekt“. Dass Europa nach Jahrzehnten der Vereinigung wieder auseinanderstrebe, sei „furchtbar kurzsichtig“.
Es ist ironisch, dass die ÖVP Klagenfurt auf einen kritischen Text genau so reagiert, wie es dieser Text vorhersagte. Es ist bedrückend, wenn eine Teilorganisation einer Partei, die sich christlich nennt, die Warnungen von Kardinal Schönborn nicht ernst nimmt. Einige Herrschaften in der ÖVP wollen offenbar Zustände wie in Ungarn, Russland oder der Türkei einführen, wo kritische Medien zuerst ausgehungert und dann staatlich zensiert werden und wo man kritische Journalistinnen bedroht und verfolgt. Ist das wirklich der „neue Stil“? Das würde uns überraschen und bestürzen. Die ÖVP war eine der Gründungsparteien des befreiten Österreich und stand stets für demokratische Grundwerte. Hat sich das geändert?
Wir lassen uns jedenfalls nicht mundtot machen und wir stehen hinter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! Wir erhoffen uns von der ÖVP ein klares Bekenntnis zu Meinungs- und Pressefreiheit.
„Mein Klagenfurt“ ist eine regionale Website mit News über Klagenfurt und Umgebung. Wir sind kein Medienkonzern, sondern ein Familienunternehmen. Wir beziehen auch keine Presseförderung. Der „Klage“ ist ein Kärntner Journalist, der bei uns das freie Wort hat. Wir stimmen nicht immer mit seiner Meinung überein, aber wir respektieren, dass er pointiert und manchmal ironisch die politische Lage in Klagenfurt, Österreich und der ganzen Welt kommentiert und dabei nach allen Seiten austeilt.
Die ÖVP Klagenfurt hätte, wie es sich in zivilisierten Kreisen gehört, einen Leserbrief schreiben können, den wir auch veröffentlicht hätten. Sie hätte mit uns reden können. Wir reden nämlich mit allen. Sie entschied sich aber dazu, DERZEIT von weiteren Kooperationen Abstand zu nehmen. Einen Tag nach der Angelobung der neuen Bundesregierung! Wie ist das zu verstehen? Bis wir wieder "brav" sind? Hände falten, Goschn halten?
Wir lassen uns nicht einschüchtern und wir lassen uns keine Inhalte vorschreiben. Das freie Wort in diesem Land muss frei bleiben!
Wir haben die Weihnachtszeit abgewartet, da viele auf Urlaub waren, ehe wir uns zur Veröffentlichung dieses Offenen Briefes entschlossen, denn wir wollten der ÖVP Klagenfurt sowie der Kärntner Landespartei die Gelegenheit geben, ein eventuelles Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Es war aber offensichtlich kein Missverständnis und kein Alleingang eines Mitarbeiters der ÖVP, sondern Absicht.
Die Betreiber, Dieter und Betty Kasper
Anbei die E-Mail des Clubsekretärs der ÖVP Klagenfurt im Wortlaut:
Aufgrund der zuletzt erschienenen Kolumne von „Klage“ auf Mein-Klagenfurt.at (http://www.mein-klagenfurt.at/mein-klagenfurt/das-freie-wort/die-traurigsten-weihnachten/) muss der ÖVP-Club Klagenfurt derzeit von weiteren Kooperationen Abstand nehmen.
Wir respektieren kritischen Journalismus und freie Meinungsäußerung, möchten aber eine Plattform, auf der einer Bundesregierung, der auch unsere Fraktion angehört, unterschwellig künftig Kriegstreiberei und Rassismus unterstellt sowie Folter und Mord prognostiziert wird, nicht weiter unterstützen. In besagter Kolumne wurde für unseren Geschmack der Bogen weit überspannt.
Ich bitte dich und deine Redaktion diese Entscheidung zu respektieren.
Dieses Mail ergeht nachrichtlich auch an den ÖVP-Landtagsclub.
Beste Grüße
Mag. ...
Clubsekretär der ÖVP-Gemeinderatsfraktion