542 Millionen Euro – also mehr als eine halbe Milliarde Euro – haben die Rechtsschutzexperten der Arbeiterkammer Kärnten seit dem Jahr 1992 für Beschäftigte erstritten. Die Bilanz aus dem Jahr 2022: Im Arbeits- und Sozialrecht sowie dem Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen erkämpfte die Arbeiterkammer Kärnten insgesamt 47,3 Millionen Euro für heimische Arbeitnehmer.
Falsche Einstufung mit Bezahlung unter dem Kollektivvertrag? Keine Auszahlung der geleisteten Überstunden oder das vertraglich vereinbarte Entgelt wird nicht überwiesen? Arbeits- und Sozialrechtsexperten der AK Kärnten beraten und vertreten Arbeitnehmer bereits seit über 30 Jahren in diesen arbeitsrechtlichen Problemfeldern und das mit Erfolg: 542 Millionen Euro wurden bisher für Kärntens Arbeitnehmer erkämpft.
„Werden Arbeitsverträge mit oftmals diffusen Klauseln vereinbart oder geleistete Überstunden nicht entsprechend abgegolten, kommt der AK-Rechtsschutz ins Spiel“, betont Maximilian Turrini, Leiter der Arbeits- und Sozialrechtsabteilung in der AK Kärnten. Besonders bei Mehr- und Überstunden treten diese Probleme zu Tage. Eine aktuelle Auswertung der Statistik Austria zeigt, dass österreichische Betriebe im Jahr 2022 den Arbeitnehmern 47 Millionen Mehr- und Überstunden weder mit Geld noch mit Zeitausgleich abgegolten haben.
„Die Arbeiterkammer achtet auf Fairness am Arbeitsplatz und hilft Arbeitnehmern mit kostenloser Beratung und Vertretung in arbeitsrechtlichen Streitfällen vor Gericht“, bekräftigt AK-Präsident Günther Goach und verweist: „Wir sind der kostenlose Anwalt für AK-Mitglieder bei arbeits- und sozialrechtlichen Ungereimtheiten.“
4,5 Millionen Euro für Beschäftigte im Arbeitsrecht erstritten 122.543 Mal berieten und unterstützten die Arbeits- und Sozialrechtsexperten sowie der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) Hilfesuchende im vergangenen Jahr. 103.427 Mal wurde per Telefon, 10.156 persönlich und 8.960 schriftlich in der AK in Klagenfurt sowie in den sechs AK-Bezirksstellen in Kärnten beraten.
1.576 Arbeitsrechtsakte wurden im Vorjahr positiv erledigt. 325 Mal wurde der Klagsweg beschritten und 2,1 Millionen Euro für Dienstnehmer erkämpft. 1.251 Mal wurde außergerichtlich interveniert und 2,4 Millionen Euro für Beschäftigte zurückgeholt
Nachdem der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, wurde eine Klage beim Arbeitsgericht eingebracht, mit Erfolg: Die Arbeitnehmerin erhielt für nicht abgerechnete Überstunden und Entgeltfortzahlung einen Betrag von rund 9.800 Euro (brutto) zuerkannt.
„Erstmals wurde durch Interventionen mehr Geld für Arbeitnehmer zurückgeholt als durch Klagen erstritten werden konnte, ein Zeichen dafür, dass die Arbeitgeber früher einlenken“, so Turrini. 2.159 Neuvertretungen, die in 394 Klagen und 1.765 Interventionen aufgeteilt sind, wurden 2022 als Akt angelegt.
Experten im Sozialrecht erkämpften 38,3 Millionen Euro
Im Sozialrecht wurden im vorigen Jahr 1.183 Klagsfälle abgeschlossen. Davon wurden 567 Fälle vor Gericht gewonnen und ein Gesamtwert von 38,3 Millionen Euro erstritten – um 12,5 Millionen mehr als 2021. Hinzu kamen 1.517 neue Vertretungsfälle (2021: 1.190 Fälle) für die AK-Sozialrechtsexperten. „Bei den Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen sowie den Pflegegeldansprüchen und Rehabilitationsgeldforderungen ist eine enorme Steigerung zu erkennen“, erklärt Gerald Prein, Referatsleiter des Sozialrechts.
Firmeninsolvenzopfer bekamen 4,5 Millionen Euro
Der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) half 593 Insolvenzopfern zu ihrem Geld. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 244 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Der ISA errechnet im Konkursfall offene Lohn- und Gehaltsansprüche der Mitarbeiter und bringt die Forderungsanmeldungen beim Insolvenz-Entgelt-Fonds ein. Auch vor Gericht werden Dienstnehmer vor dem Insolvenzgericht vertreten. „Der ISA in Klagenfurt ist die erste Anlaufstelle für Opfer von Firmenkonkursen“, sagt der Leiter des Insolvenzschutz verbandes für Arbeitnehmer:innen, Herbert Diamant.
Mit der AK-Insolvenz-Soforthilfe (maximal 3.000 Euro pro Arbeitnehmer) überbrückte die Arbeiterkammer Kärnten die finanzielle Not vieler Insolvenzopfer. 2022 wurden 235 Anträge (2021: 149 Anträge) gestellt und ein Gesamtbetrag von 387.650 Euro als Überbrückungshilfe an Arbeitnehmer ausbezahlt.
Besondere Fälle aus der Praxis der AK-Rechtsexperten
Nicht ausgezahlte Überstunden, fehlende Lohnabrechnungen, Betrug durch nicht getätigte Barauszahlungen: Aktuelle Beispiele aus der Beratung zeigen, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Hilfe der AK zu ihrem Recht kommen.
Fall 1:
Nicht abgerechnete Überstunden und fehlende Lohnabrechnungen
Eine Kärntner Arbeitnehmerin war von Mai bis Oktober 2022 als Kellnerin beschäftigt. Der Arbeitnehmerin wurde zwar der Grundlohn überwiesen, jedoch fehlten die regelmäßig geleisteten Überstunden. Auch eine Lohnabrechnung wurde von Seiten des Arbeitgebers nicht ausgestellt. Daraufhin wandte sich die Betroffene an die AK: Der Arbeitgeber wurde aufgefordert, die Lohnabrechnungen vorzulegen und die Überstunden entsprechend abzugelten. Die Lohnabrechnung wurde zwar nachgereicht, aber ohne abgerechnete Überstunden. Hinzu kam, dass die Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum erkrankte, und während des aufrechten Krankenstandes eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Arbeitgeber vereinbarte. Mit dem Zeitpunkt der einvernehmlichen Lösung wurde die Dienstnehmerin durch den Arbeitgeber bei der Sozialversicherung abgemeldet. Der Arbeitgeber muss jedoch auch bei einer einvernehmlichen Lösung das Entgelt nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses weiterzahlen, wenn die einvernehmliche Lösung während oder im Hinblick auf einen Krankenstand erfolgt ist.
Nachdem der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, wurde eine Klage beim Arbeitsgericht eingebracht, mit Erfolg: Die Arbeitnehmerin erhielt für nicht abgerechnete Überstunden und Entgeltfortzahlung einen Betrag von rund 9.800 Euro (brutto) zuerkannt.
Fall 2:
Kinderbetreuungsgeld wurde nicht korrekt von Notstandshilfe abgezogen
Eine Kärntnerin wurde – direkt nach Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von knapp 980 Euro – die Notstandshilfe verwehrt. Begründet wurde dies vom Arbeitsmarktservice damit, dass das Kinderbetreuungsgeld die Geringfügigkeitsgrenze übersteige und ein eigenes Einkommen wäre, welches auf die Notstandshilfe angerechnet wird.
Die AK-Sozialrechtsexperten überprüften den Fall und legten Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Erfolg: Eine Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf die Notstandshilfe hätte nur dann erfolgen können, wenn die Kärntnerin zuvor Notstandshilfe bezogen hätte und erst dann ein Einkommen (wie z.B. Kinderbetreuungsgeld) erzielt hätte. In ihrem Fall wurde laut Arbeitslosenversicherungsgesetz ein Neuantrag gestellt. Eine andere Bestimmung würde zu einer Ungleichbehandlung von Notstandshilfebeziehern führen.
Fall 3:
Personalüberlasser versuchte Betrug durch – nicht getätigte – Barauszahlungen
Zwei Dienstnehmer, die erstmalig in Österreich arbeiteten, unterschrieben zu Beginn ihres Dienstverhältnisses blanko Kassa-Ausgangsbelege, auf denen nur ihr Name stand. Der Personalüberlasser erklärte, sie müssten diese Papiere unterschreiben, damit der Lohnzettel ausgestellt und der Lohn bezahlt werden kann. Das stellte sich jedoch als falsch heraus: Der Personalüberlasser hat auf den blanko unterschriebenen Kassa-Ausgangsbelegen nachträglich Zahlungsbeträge eingetragen, ohne jemals Zahlungen an die Dienstnehmer geleistet zu haben. Auf den ausgestellten Lohnzetteln wurden jedoch Zahlungen (Akontozahlungen) in Abzug gebracht, die die Dienstnehmer nie erhalten haben. Der Dienstgeber versuchte damit, Barauszahlungen von Vorschüssen, die tatsächlich nicht erfolgt sind, belegen zu können. Ein Dienstnehmer gab an, sechs solcher Kassa-Ausgangsbelege zu Beginn des Dienstverhältnisses unterschrieben zu haben. Der Dienstgeber legte hingegen acht Ausgangsbelege vor. Der Verdacht, dass zwei Unterschriften nicht vom Dienstnehmer stammten, wurde von einem Sachverständigen-Gutachten untermauert.
Seitens der Arbeiterkammer Kärnten wurde Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht: Forderungen in der Höhe von 9.245,66 Euro (brutto) wurden vor Gericht erkämpft. Im zweiten Fall konnten Forderungen in der Höhe von 3.782,40 Euro (brutto) erstritten werden.
Foto: Gernot Gleiss/AK