Falscher Frühling verändert Vogelverhalten im Winter. BirdLife Österreich präsentiert das Endergebnis der „Stunde der Wintervögel 2023“
Im 14ten Jahr der Wintervogelzählung war der Haussperling (umgangssprachlich: Hausspatz) der häufigste im Siedlungsraum anwesende Wintervogel Österreichs und verwies den Vorjahressieger Kohlmeise und den Feldsperling (umgangssprachlich: Feldspatz) auf die Plätze zwei und drei. Österreichweit wurden heuer im Schnitt rund 26 Vögel pro Garten gemeldet, das lag deutlich unter dem Schnitt der letzten drei Jahre (30 Vögel) und dem Vorjahreswert (31 Vögel pro Garten). Der falsche Frühling zu Jahresbeginn dürfte für dieses veränderte Vogelverhalten im Winter verantwortlich gewesen sein.
Mehr Teilnehmende
Die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich gibt abermals einen neuen Teilnahmerekord bei der Stunde der Wintervögel bekannt: 24.532 Naturbegeisterte, das waren etwas mehr als im Vorjahr (23.464), meldeten insgesamt 474.554 Vögel aus dem winterlichen Siedlungsraum. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 580.885. In 458 Gärten wurde kein einziger Vogel gesichtet, das entspricht einer Steigerung von nahezu zwei Drittel gegenüber dem Vorjahr. Seit 2011 haben 152.614 Teilnehmer:innen zur „Stunde der Wintervögel“ insgesamt 3.799.012 Wintervögel im winterlichen Siedlungsraum gemeldet.
Der Haussperling (umgangssprachlich: Hausspatz) wurde heuer am häufigsten gemeldet und verwies den Vorjahressieger Kohlmeise und den Feldsperling (umgangssprachlich: Feldspatz) auf die Plätze zwei und drei. Seit Anbeginn der winterlichen Zählungen machen sich diese drei Arten das „Siegerstockerl“ untereinander aus.
Weniger Vögel
Die durchschnittliche Anzahl der Vögel pro Garten lag heuer bei 26 (26,04). Das ist der niedrigste Wert, der jemals erreicht wurde und war deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 36 Vögel pro Garten (2012 bis 2022), und nochmals deutlich weniger als im Vorjahr (31 Vögel pro Garten). Dieser Rückgang war in allen Bundesländern zu beobachten. „Dabei konnten Vogelarten, die auch im Winter stark auf Siedlungen konzentriert sind, wie der Haussperling, die Türkentaube oder auch der Stieglitz, die Vorjahresergebnisse halten. Bei Aaskrähen und Saatkrähen war eine leichte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr bemerkbar, nachdem die Krähen in der Vergangenheit deutlich im winterlichen Bestand abgenommen hatten. Jeder zehnte Teilnehmende konnte sich über Schwanzmeisen an der Futterstelle freuen, was etwas über dem Vorjahrswert lag“, weiß Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife und weiter: „Das Auftreten der Stieglitze im winterlichen Garten blieb hingegen über die Jahre stabil. Die meisten anderen Arten waren weit weniger häufig als im Vorjahr anzutreffen.“ Auch die Schwarmgröße (das gleichzeitige Auftreten in einem Trupp - „Truppgröße“) der TOP-10-Arten reduzierte sich um 10 Prozent über die gesamte Zählreihe.
TOP-3-Wintervögel im Siedlungsraum
Der Hausspatz war bei der diesjährigen Zählung wie im Vorjahr beinahe in jedem zweiten Garten anzutreffen (45,57%), und stellte mit 72.015 Individuen die häufigste im winterlichen Siedlungsraum anwesende Vogelart. Bei diesem Siedlungsspezialisten sind die registrierten Rückgänge im Verlauf seit Anbeginn der Wintervogelzählung im Vergleich zu anderen Arten noch moderat, doch ebenfalls feststellbar: Die Schwarmgröße reduzierte sich und auch ihr durchschnittlicher Winterbestand im Siedlungsraum war über die letzten zehn Jahre tendenziell fallend (minus 0,11 Vögel pro Jahr weniger), jedoch mit einer Stabilisierung in den letzten vier Jahren. Noch deutlicher ist der langjährige Rückgang bei der zweitplatzierten Kohlmeise: Im Verlauf der Zählreihe ist ein negativer Trend (von minus 0,21 Vögel pro Jahr) zu bemerken, auch wenn die Ergebnisse Jahr für Jahr stark schwanken. Der drittplatzierte Feldsperling weist über die Datenreihe ähnlich wie der Haussperling einen leicht negativen Trend auf (minus 0,10 Vögel pro Jahr).
Falscher Frühling sorgt für verändertes Vogelverhalten
„Die Vögel waren witterungsgünstige Selbstversorger!“, erfasst Gábor Wichmann: „Sie hielten sich am Zählwochenende (6.-8.1.2023) eher außerhalb unserer Städte und Dörfer auf. Dafür gibt es einige Erklärungen: Es war ausreichend natürliche Nahrung vorhanden, weil wichtige Nahrungsbäume wie Fichten und Buchen im vergangenen Herbst erneut besonders viele Früchte ausbildeten, die zu Jahresbeginn kaum von Eis oder Schnee bedeckt waren. Aufgrund der Klimaerwärmung häufen sich in den letzten zehn Jahren derartige Mastjahre. Aus unserer inzwischen 14-jährigen Datenreihe lässt sich auslesen, dass ein starker Zusammenhang zwischen Winterhärte und Anzahl der Vögel im Siedlungsraum besteht. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Vögel bei milder Witterung vermehrt im Wald bleiben und weniger in die Siedlungen einfliegen“, so Wichmann und weiter: „Auch ein geringerer Zuzug von Vögeln aus dem Norden oder Nordosten Europas aufgrund milderer Winter, wie auch eine mögliche bessere Nahrungsverfügbarkeit ebendort, führen zu einem Rückgang unserer Wintervögel im Garten. Wetter- sowie nahrungsbedingte Wanderbewegungen der Vögel innerhalb Österreichs und von den Bergen in die Täler beeinflussen die Zahlen der Vögel im Siedlungsraum ebenso. Auch die ungebremste Bodenversiegelung, der zunehmende Verlust alter Baumbestände und eine naturferne Gartengestaltung spielen vermutlich eine Rolle, warum kontinuierlich weniger Vögel im winterlichen Siedlungsraum gezählt werden.“
Frühlingsanzeichen zu Beginn des Jahres
Besonders auffällig für den Ornithologen waren die überaus warmen Temperaturen zu Jahresbeginn, wodurch die Vögel bereits heftig zu zwitschern und ihre Reviere zu besetzen begannen. Solch bisher untypisch warmen Winter werden durch die Klimaerwärmung immer mehr zur Normalität. „Welche gravierenden Auswirkungen das auf den Vogelbestand hat, müssen wir zur Stunde der Wintervögel in den nächsten Jahrzehnten live beobachten!“, so Wichmann: „Ein angenehmes Frühlingswetter im Winter darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies bereits erste Auswirkungen der menschenverursachten Klimakatastrophe sind, die nicht ohne Folge bleiben!“
Kärnten-Ergebnis: Fehlendes Winterwetter führt zu 10 Prozent weniger Vögel im Siedlungsraum
Es nahmen 2023 etwas mehr Kärntner:innen an der Stunde der Wintervögel teil, nämlich 2.106, als im Vorjahr (1.967). Gezählt wurde an 1.567 Standorten. Das konnten Gärten sein, Balkone oder Futterstellen in Parks. Insgesamt wurden 50.732 Vögel gezählt. Das war zehn Prozent weniger als im Vorjahr, als 55.965 Vögel erfasst wurden. War Kärnten in den letzten Jahren immer Österreichs Spitzenreiter bei der Anzahl der Vögel pro Garten, so war dies auch heuer der Fall mit durchschnittlich 32,4 Vögeln pro Garten. Das war jedoch ein Zehntel weniger als im Vorjahr, als 35,24 Vögel pro Garten anzutreffen waren. Das lag am niederschlagsarmen Zählwochenende, den warmen Temperaturen und der nicht geschlossenen Schneedecke sowie den überaus vielen Baumsamen in der Natur. Die Vögel mussten zum Fressen nicht zu den Futterstellen fliegen. Der Feldsperling holte sich in Kärnten abermals den 1. Platz, gefolgt vom Haussperling auf Platz 2 und der Kohlmeise auf Platz 3. Auf Platz 4 der Erlenzeisig. Die Erlenzeisige blieben im vergangenen Winter sehr lange in Kärnten und konnten in großen Schwärmen beobachtet werden. 2021 war der Erlenzeisig der häufigste Vogel Kärntens, 2022 der achthäufigste. Die Amsel blieb stabil auf Platz 5, jedoch war auch sie seltener an den Futterstellen anzutreffen. In Kärnten waren witterungsbedingt bereits Regenwürmer zu finden, die natürliche Nahrung der Amseln. So waren sie um knapp 15 Prozent (minus 14,9%) seltener an den Futterstellen zu finden. Sorgenkind blieb der Grünling/Grünfink auf Platz 10. Wintergäste aus dem Norden wie die Bergfinken waren heuer seltener zu finden als noch 2022.
Wer weitere Details zur Vogelwelt in seiner Region wissen möchte, kann sich online informieren. Die Ergebnisse nach Bundesland und Region unterschieden sind online zu finden unter: www.stunde-der-wintervoegel.at.
Die nächste Stunde der Wintervögel findet von 5. bis 7. Jänner 2024 statt.
Grafik: BirdLife Österreich