Wechsel an der Spitze des Geschichtsvereines für Kärnten: Nach 25 Jahren legte gestern, Mittwoch, Claudia Fräss-Ehrfeld ihre Funktion als Direktorin nieder. Der frühere Landesarchivdirektor Wilhelm Wadl wurde in der Mitgliederversammlung einstimmig zu ihrem Nachfolger gewählt.
Von Landeshauptmann Peter Kaiser erhielt Fräss-Ehrfeld eine Ehrenurkunde des Landes Kärnten. Außerdem wurde an die in Wien lehrende Historikerin Marianne Klemun die Ehrenmedaille des Geschichtsvereines für Kärnten verliehen. Landesarchiv-Mitarbeiterin Anna-Lena Stabentheiner aus Klagenfurt erhielt für ihre Diplomarbeit den „Preis des Geschichtsvereines für Kärnten und des Landeshauptmannes von Kärnten“. An die Klagenfurter Maturantin Johanna Friederike Brunner ging der Preis für ihre Vorwissenschaftliche Arbeit. Das neue kärnten.museum in Klagenfurt bot den logischen Rahmen für die Veranstaltung. Das 1884 eröffnete Landesmuseum gründeten nämlich Geschichtsverein und Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten.
Claudia Fräss-Ehrfeld bleibt dem Geschichtsverein als in der Mitgliederversammlung gewähltes Ehrenmitglied erhalten. „Einmal Geschichtsverein – immer Geschichtsverein. Natürlich werde ich weiter mitmachen“, betont sie. Während ihres Vorsitzes wurden 700 neue Vereinsmitglieder geworben. Insgesamt gehören dem Geschichtsverein rund 3.000 Menschen und Institutionen an. Der 1844 gegründete Verein zeichnet sich für dessen frühere Direktorin durch das „kontinuierliche Fortführen einer langen Tradition und das laufende Reagieren auf Neues“ aus. Stolz ist sie auf die „Großen Reisen“, die sie seit 2002 geleitet hat. „Unsere Reisen führen auf den Spuren der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bzw. des Römisch-Deutschen Reichs europawärts und haben immer Bezug zur Kärntner Geschichte“, erklärt sie. Außerdem verweist sie auf das zweimal jährlich erscheinende „Bulletin“ des Vereines. Besonders erfolgreich habe sich ihr erstes Projekt als Direktorin entwickelt, nämlich der seit 1998 an junge Historikerinnen und Historiker verliehene „Preis des Geschichtsvereines für Kärnten und des Landeshauptmannes von Kärnten“.
„Ich übernehme einen Verein, der in voller Blüte steht, eine hohe Zahl an Mitgliedern hat und in dem viele, auch Jüngere, mit exzellenten Fähigkeiten mitarbeiten wollen“, sagt der neue Direktor Wilhelm Wadl. Für abrupte Neuerungen sieht er keine Notwendigkeit, er will aber unter anderem eine populärwissenschaftliche Vortragsreihe für die Wintermonate etablieren. „Damit soll der Geschichtsverein auch zwischen den beliebten Exkursionen im Herbst und Frühjahr mit Veranstaltungen präsent sein“, erklärt er. Außerdem will Wadl die Vereinspräsenz außerhalb von Klagenfurt verstärken. Der neue Direktor betont, dass sich das Vereinsangebot nicht nur an studierte Fachleute, sondern an alle aktiv tätigen Geschichtsfreunde richtet. „Wir ermöglichen Forschung, bieten Publikationsmöglichkeiten über den eigenen Verlag, vermitteln in vielfältiger Form Wissen um die Geschichte Kärntens und seiner Nachbarregionen“, fasst er zusammen. „Diese Vermittlung soll faktenorientiert sein, neue Forschungsergebnisse berücksichtigen, zugleich aber allgemein verständlich sein“, betont Wadl, der ein möglichst breites Publikum erreichen will.
Claudia Fräss-Ehrfeld wurde in Althofen geboren und lebt in Klagenfurt. Während ihrer Schulzeit war sie im Schisport aktiv, gehörte dem ÖSV-Kader an und wurde 1962 Kärntner Meisterin. Sie studierte an den Universitäten Wien, Harvard und Yale (USA). 1968 promovierte sie zum Doktor der Philosophie an der Universität Wien. Ihre Arbeit als Historikerin begann sie am Kärntner Landesmuseum, sie war etliche Jahre Mitglied des Kärntner Kulturgremiums und wirkte in der österreichisch-slowenischen HistorikerInnen-Expertengruppe mit. 2008 wurde ihr vom Wissenschaftsministerium der Titel „Professor“ verliehen. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, ist Trägerin des „Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Kärnten“ und des „Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse“. Fräss-Ehrfeld verfasste unter anderem drei Bände zur Geschichte Kärntens, ein zweibändiges Werk zu 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung sowie Publikationen zum 500-Jahr-Jubiläum der Landeshauptstadt Klagenfurt und zu 175 Jahre Geschichtsverein für Kärnten. Sie schrieb zahlreiche Beiträgen zur Geschichte Kärntens zwischen Mittelalter und Zeitgeschichte und gab eine Reihe von Büchern heraus, wie „Das Kärntner Landesbewusstsein in der Zweiten Republik“, „Lebenschancen in Kärnten 1900–2000. Ein Vergleich“, „Kärnten und die Bukowina“, „Kärnten und Wien zwischen Staatsidee und Landesbewusstsein“, „Kärnten und Böhmen, Mähren, Schlesien“, „Die Bauern werden frei – Innerösterreichs Landwirtschaft zwischen Beharren und Modernisierung im frühen 19. Jahrhundert“, „Napoleon und seine Zeit. Kärnten–Innerösterreich–Illyrien“ oder „Geschichte der Marktgemeinde Steinfeld“.
Wilhelm Wadl wurde in St. Ulrich bei Feldkirchen geboren und lebt in der Gemeinde Gnesau. Er studierte Geschichte und Germanistik in Wien und promovierte 1979 „sub auspiciis praesidentis“. Ab 1980 war er im Kärntner Landesarchiv tätig, ab 2001 als dessen Direktor. Zudem war er Lektor an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Im Geschichtsverein für Kärnten war Wadl bisher Vorstandsmitglied. Außerdem ist er Schriftleiter der vereinseigenen Carinthia I, der ältesten wissenschaftlichen Zeitschrift Österreichs. Wadl verfasste hunderte Publikationen zur Kärntner Landesgeschichte und betreute die österreichisch-jugoslawischen Archivverhandlungen mit. Von der Evangelischen Kirche wurde er mit der „Kirchlichen Auszeichnung in Gold“ gewürdigt, zudem ist er Träger des „Großen Goldenen Ehrenzeichenes des Landes Kärnten“ und der „Goldenen Medaille der Stadt Klagenfurt“.
Durch das Ausscheiden von Claudia Fräss-Ehrfeld aus dem Vorstand des Geschichtsvereines rückt aus dem Beirat Renate Jernej nach, die zur Sekretär-Stellvertreterin gewählt wurde. Die Klagenfurterin studierte Geschichte und Klassische Archäologie in Klagenfurt und Salzburg. Sie wirkte unter anderem bei Ausgrabungen im Amphitheater Virunum und in St. Helena im Gailtal. Jernej begleitete das Restaurierungsprojekt „Kulturelles Erbe Friesach“ wissenschaftlich und war bis 2012 beim Burgbauprojekt Friesach tätig. Derzeit ist sie in der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte am kärnten.museum beschäftigt.
Die Funktion des Sekretärs übernimmt Landesarchivdirektor Thomas Zeloth, bisher hatte sie der neue Geschichtsvereinsdirektor Wilhelm Wadl inne. Zeloth, seit September 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kärntner Landesarchiv, hat im März 2020 bereits die Funktion des Landesarchivdirektors von seinem Vorgänger Wadl übernommen. Davor war Zeloth seit September 2017 stellvertretender Direktor des Landesarchivs. Zeloth lebt in der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes.
Neu im Beirat des Geschichtsvereines ist Markus Böhm. Er wuchs in Arnoldstein auf und lebt jetzt in Ebenthal. In Klagenfurt absolvierte er ein Medien- und Kommunikationsstudium, beruflich ist er beim Landespressedienst Kärnten tätig. Im Geschichtsverein übernimmt er ehrenamtlich die Medienarbeit.
Informationen zum Geschichtsverein: https://geschichtsverein.ktn.gv.at/
Foto: Geschichtsverein/Roland Bäck