Die Gründungs-Patenschule der Waldorfschule Klagenfurt (Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer) klagt erneut auf Gleichheit und Gleichstellung und gegen Diskriminierung. Für Österreichs Waldorfschulen wird die VfGH-Entscheidung zur finanziellen Überlebensfrage. Österreichweit besuchen im laufenden Schuljahr 2.593 Schülerinnen und Schüler eine Waldorfschule. Lagen die jährlichen staatlichen Subventionen im Jahr 2014 noch bei 815 Euro pro Jahr und Kind, liegt die Förderung mittlerweile nur noch bei 704 Euro pro Jahr und Kind. Seit zehn Jahren steigt die Schülerzahl in privaten nichtkonfessionellen Schulen, während die Förderung stagniert, was de facto eine Kürzung um 25 Prozent ergibt. Die konfessionellen Volksschulen werden mit rund 7.300 Euro pro Schüler und Jahr versus den 704 Euro pro Schüler und Jahr um das 10 fache höher gefördert als an einer Waldorfschule, teilt die Schule heute in einer Aussendung mit.
“Waldorfschulen leisten als Teil unserer Bildungslandschaft einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, der auch in einer entsprechenden Förderung abgebildet werden muss. Für viele Waldorfschulen hat diese Ungleichbehandlung zu existentiellen Problemen geführt. Es muss sich etwas ändern - und das rasch”, verdeutlicht Patrick Connor Klopf, Vorstandsvorsitzender des Waldorf-Schulverein-Kärnten die Dringlichkeit der Situation.
Waldorfpädagogen verdienen nur die Hälfte
Pädagoginnen und Pädagogen an Waldorfschulen verdienen nur die Hälfte des Gehalts der Staatslehrer. Denn vom Bund und den Ländern erhalten nichtkonfessionelle Privatschulen max. zehn Prozent des aufgewendeten Budgets. Hintergrund dieser Ungleichbehandlung ist das Konkordat, also der Vertrag Österreichs mit dem Vatikan. Darin verpflichtet sich Österreich seit 1934, neben vielen weiteren Kirchenprivilegien, die Lehrerkosten konfessioneller Privatschulen zur Gänze zu finanzieren. Die Lehrergehälter konfessioneller Privatschulen werden aus dem Steuertopf bezahlt und valorisiert. Katholische und evangelische Privatschulen veröffentlichen weder die Bilanzen ihrer Schulen, noch werden Gewinne an die Republik Österreich zurückbezahlt. “Die Personalkosten machen über 80 Prozent des Schulbudgets aus und sind damit der größte Brocken, den in unserem Fall Eltern stemmen müssen. Unser Ziel ist die rechtliche und finanzielle Gleichstellung mit den konfessionellen Privatschulen”, unterstreicht Klopf. Man baue wie die Waldorfschule Wien Mauer und deren Anwalt Wolfram Proksch darauf, dass die Mitglieder des VfGH anders als bisher die verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung als solche benennen.
Ungleichbehandlung nicht sachlich begründet
Während konfessionelle Privatschulen einen Rechtsanspruch auf Subventionen zur Deckung ihres gesamten Personalaufwands haben, werden nichtkonfessionelle Privatschulen lediglich mit jederzeit widerrufbaren Ermessensförderungen bedacht, die den Personalaufwand nicht annähernd decken. Zudem werden die Förderungen nach nicht nachvollziehbaren Kriterien, intransparent und willkürlich vergeben, heißt es laut Aussendung “Diese Schlechterstellung ist nicht sachlich begründet. Unsere Schule entlastet den Staat genauso wie eine konfessionelle Privatschule. Die Waldorfschulen leisten ebenso einen Betrag zum staatlichen Erziehungsauftrag und zur pädagogischen Vielfalt”, erklärt Klopf.
Novellierung des völlig veralteten Privatschulgesetzes ist überfällig
Ein Ende der Diskriminierung der Schulen in freier Trägerschaft wurde bereits im Expertenbericht der Bildungsreformkommission 2015 gefordert. Die Expertengruppe empfahl, „nichtkonfessionelle Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in Bezug auf die Lehrerpersonalbewirtschaftung mit konfessionellen Privatschulen gleich zu behandeln“. Der Reformbedarf bei diesem Gesetz wird seither vom Gesetzgeber ignoriert. Die rechtliche Ungleichbehandlung ist neben dem Konkordat im Privatschulgesetz begründet, das im Jahr 1962 zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, als es überwiegend konfessionelle Privatschulen und noch keine nichtkonfessionellen Privatschulen in freier Trägerschaft gab.
50 Jahre Waldorf-Schulverein-Kärnten
Trotz dieser teilweise widrigen äußeren Umstände kann der Waldorf-Schulverein-Kärnten am 31.5.2023 sein 50-jähriges Bestehen feiern. “Wir können auf eine beeindruckende Geschichte des Engagements, Idealismus und pionierhafter Arbeit zurückblicken. Seit der Gründung im Jahr 1973 haben zahlreiche Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern den Waldorfkindergarten und die Waldorfschule in Kärnten begleitet, unterstützt und zu ihrem Erfolg beigetragen”, erzählt Dagmar Janjuz, Mitglied der Schulleitung.
Sinnerfülltes Lernen
Die Waldorfpädagogik betont das menschliche Miteinander, das soziale und emotionale Lernen sowie die kreative Entfaltung. In einer Zeit, in der die Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz die Gesellschaft in bisher ungeahntem Maße beeinflussen, gewinnt die Waldorfpädagogik noch mehr an Bedeutung. Sie legt den Fokus auf die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten und Kompetenzen, die auch in einer von Technologie geprägten Welt unverzichtbar sind. Die Waldorfschulen werden somit auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft sein, nicht nur in Kärnten.
Bildung ab den ersten Lebensjahren
Die Geschichte des Waldorfkindergartens begann 1975 als eine kleine Waldorfspielgruppe in Klagenfurt. Aus dieser Anfangsphase ist im Laufe von rund 50 Jahren eine Gemeinschaft von über 100 Kindern, Eltern und etwa 20 Elementarpädagoginnen entstanden. “Heute betreut der Waldorfkindergarten Kinder bereits ab 18 Monaten bis zum Eintritt in die Schule ganztags nach dem Konzept der Waldorfpädagogik. Mit zwei Standorten und sechs Gruppen bietet der Kindergarten ein gesundes Umfeld für die ganzheitliche Entwicklung der Kinder”, berichtet Kindergartenleiterin Beatrix Bluder.
Moderne pädagogische Konzepte
Die Waldorfschule Klagenfurt ist eine von Eltern und LehrerInnen selbstverwaltete autonome Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht. Sie ist frei von Partei- und Konfessionszugehörigkeit und steht grundsätzlich allen Kindern und Jugendlichen offen - unabhängig von Nationalität, Religionszugehörigkeit, sozialer Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern.
“Seit fast vier Jahrzehnten setzen wir alles daran, dem verkürzten Bildungsverständnis der reinen Wissensanhäufung und Kompetenzvermittlung einen Geist der Humanität entgegenzusetzen. Lehrplan und Didaktik fokussieren auf die humanistisch-moralische Entwicklung des Individuums”, so Dagmar Janjuz.
Das bedeutet auch, dass die Lerninhalte nicht primär einem wirtschaftlichen oder politischen Nutzenkalkül unterworfen sind. Vieles, was an der Klagenfurter Waldorfschule längst selbstverständlich ist, wird in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion als Zukunftsthema gerade „neu“ entdeckt: Ein gesundes Lernumfeld, die durchgehende Bildungslaufbahn von der 1. Klasse bis zur Matura, die Abschaffung des „Sitzenbleibens“, der weitgehende Verzicht auf Noten, ein internationaler Lehrplan, Praktika als Teil des Lehrplans, Soziales Lernen, das frühzeitige Erlernen von Fremdsprachen. Als Gesamtschulen haben die Waldorfschulen das mit dem österreichischen Schulsystem verbundene Prinzip der Auslese durch eine Pädagogik der Förderung ersetzt. So erhalten die Schüler:innen neben einer breiten Allgemeinbildung die Chance, ihre kognitiven, künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten zu entfalten, urteilssicher an Problemlösungen heranzugehen und ihren Weg selbstbestimmt und konsequent zu verfolgen.
Waldorf ist international
Als Teil eines internationalen Netzwerks von über 1000 Waldorfschulen weltweit, darunter 400 in Europa und 12 in Österreich, bietet die Waldorfschule Klagenfurt einen unkomplizierten internationalen Schulwechsel. Dies kommt den Bedürfnissen von Familien entgegen, die aufgrund beruflicher Mobilität ihre Wohnorte wechseln. Zudem fördert und pflegt die Schule seit über zwei Jahrzehnten den weltweiten Schüleraustausch und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an internationalen Berufspraktika. Dadurch erhalten sie die Möglichkeit, ihre Fremdsprachenkenntnisse anzuwenden, ihren Horizont zu erweitern und ein Verständnis für verschiedene Kulturen zu entwickeln.
Bereit für weitere 50 Jahre
“Der Waldorf-Schulverein-Kärnten kann stolz auf seine 50-jährige Erfolgsgeschichte sein und wird sich auch in Zukunft weiterhin für eine Bildung einsetzen, die die individuelle Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt. Die Waldorfschulen bleiben ein wichtiger Baustein in der Bildungslandschaft Kärntens, indem sie den jungen Menschen die notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen vermitteln, um sich in einer sich ständig wandelnden Welt erfolgreich zu entfalten”, sagt Vorstandsvorsitzender Klopf anschließend.
In Deutschland längst Realität: Waldorfschulen dürfen nicht benachteiligt sein
"Dass eine rechtliche wie finanzielle Gleichstellung der Waldorfschulen problemlos möglich ist, zeigt Deutschland. In deutschen Waldorfschulen werden rund 70 Prozent des gesamten Schulbudgets vom Staat abgegolten. Aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging hervor, dass Eltern für die Schule ihrer Wahl nur „sozial verträgliche Kosten“ in der Höhe von maximal 150 Euro pro Kind und Monate entrichten müssen.
Ein Urteil und ein neues Gesetz machten zuletzt 2021 deutlich, dass freie Schulen in Fragen der Finanzierung nicht benachteiligt werden dürfen. In den Waldorf-Unterstufen ist die pädagogische Freiheit der Schulen groß, in den Oberstufen sehr ähnlich der in öffentlichen Gymnasien. In Deutschland besuchen 90.000 Schüler/innen eine Waldorfschule – ohne deren Eltern in finanzielle Bedrängnis zu bringen und ohne finanzielle Selbstausbeutung der Lehrerinnen und Lehrer. Was in Deutschland schon Realität ist, fordern wir auch in Österreich," so der Waldorf-Schulverein-Kärnten
Foto: Waldorf Klagenfurt