„Geimpfte Kinder fangen an zu masturbieren“; „Türkenkrieg in Wien eskaliert“; „Österreich völlig dicht machen“; „Meteorit könnte nächste Woche Erde auslöschen“; „Tempo 80 auf Autobahn wegen Flüchtlingen?“ - Das sind nur ein paar der Überschriften, mit denen die Boulevardzeitungen „Krone“, „Österreich“ und „Heute“ ihre Leser hysterisch machen. Zur Belohnung für solcherlei Gossen-Journalismus schaltete die Bundesregierung voriges Jahr ein paar kleine Inserate in diesen Zeitungen. Aber echt nur ganz kleine und wenige. Für ganz wenig Geld. In der „Krone“ um 20,6 Millionen Euro, in „Österreich“ mit 14 Millionen und in „Heute“ mit 14,1 Millionen. Fast 49 Millionen Euro Steuergeld gingen also in nur einem Jahr direkt an die drei größten publizistischen Dreckschleudern des Landes. Die „Krone“ kassierte dazu noch 190.771 Euro an „Vertriebsförderung“. Dieses finanzielle Extra-Zuckerl werden wohl bald auch „Österreich“ und „Heute“ kriegen, da die Presseförderung gerade so reformiert wird, dass auch Gratiszeitungen an diese Förderleistung gelangen können.
Die Gelder, mit denen die Republik Österreich die Medien fördert, sollen heuer von 8,5 auf satte 17 Millionen verdoppelt werden. Hauptgrund für den massiven Anstieg: Man möchte neben den etablierten Printzeitungen auch Gratisblätter und Onlinemedien unterstützen. Eigentlich keine schlechte Sache, denn eine vielfältige Medienlandschaft tut der Demokratie gut und verhindert, dass die Menschen sich nur aus ganz wenigen Quellen informieren können. Theoretisch. In der Praxis - und daran dürfte auch die neue Presseförderung wenig ändern - kriegen ausgerechnet jene Zeitungen besonders viel Förderung, die eh wirtschaftlich recht gut dastehen und die die Presseförderung daher als Körberlgeld dankbar einstecken, aber nicht zum Überleben brauchen. Problematisch ist aber vor allem, dass die Förderung nicht an Qualitätsmaßstäbe, sondern an die Zahl der Mitarbeiter gekoppelt ist.
Mit der Qualität haben in Österreich so einige Zeitungen ein Problem. Der Ehrenkodex des Österreichischen Presserates soll sicherstellen, dass sich die Medien an qualitative und ethische Mindeststandards halten. Im Jahr 2016 verstieß die „Krone“ 13 mal gegen diesen Ehrenkodex, die Tageszeitung „Österreich“ viermal, der „Wochenblick“ dreimal, „Heute“, der „Kurier“ und die „Bezirksblätter“ jeweils zweimal und die „Vorarlberger Nachrichten“ einmal. Insgesamt wurden dem Presserat 248 Artikel und Kommentare gemeldet, die im Verdacht standen, gegen den Ehrenkodex zu verstoßen. Besonders viele Fälle betrafen pauschale Hetze gegen Flüchtlinge, Zuwanderer und andere Minderheiten. Einige Zeitungen, allen voran die „Krone“, hatten mit völlig übertriebenen, teilweise schlicht falschen Artikeln Stimmung gegen diese Gruppen gemacht. Überspitzt gesagt gibt es also tatsächlich eine „Lügenpresse“ oder „Systempresse“, nur halt anders, als es die, die von „Lügenpresse“ reden, meinen. Die echte „Lügenpresse“ ist keine von oben gesteuerte Verschwörung, um Nachrichten über böse „Ausländer“ zu vertuschen, sondern sie macht Auflage und Klicks mit Übertreibungen und Erfindungen. Aber auch angebliche Qualitätszeitungen geben dem Gerede von der der „Systempresse“ immer wieder Nahrung. Beispiel: Als es vor ein paar Monaten einen Giftgasangriff in Syrien gab, berichteten fast alle Medien so, als sei es bewiesener Fakt, dass Syriens Diktator Assad den Angriff verbrochen hätte. Es war zwar wahrscheinlich, dass das syrische Regime hinter dem Angriff steckte, aber ohne jeden Zweifel sicher war es nicht. Die meisten Medien taten aber, als ob. Es ist diese Sorte von vielleicht sogar gut gemeinter Parteilichkeit, die viele Menschen an der Seriosität unserer Medien zweifeln lässt. Dennoch kriegen fast alle dieser Medien eine fette Förderung von der Öffentlichen Hand.
Wenn man die Presseförderung schon reformiert und glatt verdoppelt, sollte man die Gelegenheit nützen und sie an die Qualität der Berichterstattung koppeln. Es ist schwer einzusehen, dass jedes Krachbumm-Blatt, das mit überreizten Sensationsmeldungen arbeitet und sich einen Dreck um journalistische Ethik schert, hunderttausende Euro an Steuergeld kriegt. Wie kommt der Steuerzahler eigentlich dazu, Hetze und Desinformation zu belohnen?