Eine der ersten prägenden Erfahrungen, die ein Kind bereits im Mutterleib macht, ist jene des Wachstums. Noch bevor ein Kind richtig denken kann, erfährt es bereits, heute größer zu sein als gestern. Mit Recht vermutet es daher, morgen größer zu sein als heute. Diese Erfahrung des Anfangs geht bei Erwachsenen manchmal verloren, wenn sie die zunehmende Gebrechlichkeit des eigenen Körpers wahrnehmen. Aber das ist nur die eine Seite der Wirklichkeit. Während nämlich der menschliche Leib tatsächlich immer schwächer wird und unaufhaltbar auf die Todesschwelle zugeht, macht die Person genau die gegenteilige Erfahrung. Das, was wir gewöhnlich als Ich bezeichnen, wird im Laufe der Jahre interessanterweise immer mehr, es wird nicht hinfällig, sondern nimmt immer mehr zu. Menschen, die die noch vorgeburtliche Erkenntnis nicht ganz verdrängt haben, erinnern sich an dieses Grundgesetz. Meine Körperlichkeit mag auf den Tod zugehen, doch ich bin für das Wachstum bestimmt, das die Höhe des Himmels erreichen soll.
Wenn viele Menschen in diesen Tagen die Friedhöfe besuchen und an einzelnen Gräbern ein Gebet sprechen, dann ahnen sie genau das. Sie sprechen nicht mit einem Stück Erde, sondern mit einer Person die ihnen zu Gott vorausgewachsen ist.
Text:Dr. Peter Allmaier
Foto: Mein Klagenfurt/Archiv
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